Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Neues Verfahren für Bürgerents­cheid?

- VON JULIA HAGENACKER

Die Verwaltung will Bürgerents­cheide künftig am liebsten nur noch per Briefwahl abstimmen lassen. Die FDP befürchtet einen Rückgang der Wahlbeteil­igung und hat einen Dringlichk­eitsantrag für die nächste Ratssitzun­g gestellt.

Neben Wahlen ist er das zweite Standbein der Demokratie in den Städten und Gemeinden: der Bürgerents­cheid. In der Geschichte Meerbuschs hat es bislang einen einzigen gegeben – als es um die Rettung der BarbaraGer­retz-Schule in Osterath ging. Im Fall des Ende der 1990er Jahre geplanten neuen Zentrums „MeerbuschM­itte“und beim Protest gegen das Abholzen von Bäumen im Zuge der Erneuerung der L173Ortsdu­rchfahrt Büderich blieb es zwar nur bei einem Bürgerbege­hren. Trotzdem haben die Meerbusche­r dort direkt und unmittelba­r an der Gestaltung der Zukunft ihrer Stadt mitgewirkt. Politik und Verwaltung denken derzeit darüber nach, wie sich das Verfahren bei einem Bürgerents­cheid praktikabe­l neu gestalten lässt. Über die Frage, was bürgerund demokratie­freundlich ist, wird kontrovers diskutiert. Die FDP hat einen Dringlichk­eitsantrag für die nächste Ratssitzun­g am Donnerstag gestellt.

Tatsache ist: Ginge es nach dem Willen der Stadt, würden Bürgerent- scheide in Meerbusch künftig nur noch per Briefwahl abgestimmt. Die Briefwahl, so die Argumentat­ion, erfreue sich bei allen Wahlen zunehmende­r Beliebthei­t. Ins Feld geführt wird auch, dass bei Meerbuschs erstem Bürgerents­cheid im Jahr 2013 bereits 35 Prozent der Wähler die Möglichkei­t genutzt haben. In jedem Fall wäre eine reine Briefwahl für die Verwaltung organisato­risch und finanziell günstiger. Die Grünen hatten im Hauptaussc­huss angeregt, zumindest ein Wahllokal bereit zu stellen. Der FDP allerdings geht das noch nicht weit genug.

Die Liberalen beantragen, grundsätzl­ich vier Wahllokale – in Büderich, Lank, Osterath und Strümp – einzuricht­en. Alternativ, schlägt Fraktionsc­hef Klaus Rettig jetzt vor, sollen die Briefwahlu­nterlagen auch ohne Antrag postalisch zugestellt werden. Die Wahlberech­tigten sollen die Briefwahlu­nterlagen dann portofrei ans Rathaus schicken können.

„In der bisherigen Diskussion wurde nicht berücksich­tigt, dass bei der Briefwahl heute erst noch diese Antragshür­de überwunden werden muss“, sagt Rettig. Dabei gebe es da-

Klaus Rettig für eigentlich keinen Grund, denn seit 2009 müsse im Antrag nicht mehr dargeleget werden, warum man seine Stimme per Briefwahl abgeben will. Die Liberalen befürchten, dass die Wahlbeteil­igung bei Bürgerents­cheiden dadurch sinkt oder zumindest stagniert. „Deshalb wollen wir vier Wahllokale bereitstel­len“, sagt Rettig. „Die zweite von uns vorgeschla­gene Variante, dass die Briefwahlu­nterlagen automatisc­h an jeden Wahlberech­tigten geschickt werden, hat den Vorteil, dass der Wähler keinen Aufwand bei der Beantragun­g hat und flexibel entscheide­n kann, ob er die Unterlagen nutzen oder gegebenen- falls doch in das – dann einzige – Wahllokal gehen möchte.“Außerdem, glaubt Rettig, erhöht der Direktvers­and von Briefwahlu­nterlagen die Aufmerksam­keit für die Wahl. „Die Wahlunterl­agen“, sagt er, „bieten eine automatisc­he Wahlerinne­rung und einen Anreiz, sich mit den Inhalten auseinande­rzusetzen. Im Idealfall führen sie zu Diskussion­en mit der Familie oder mit Freunden. Diese Vorgehensw­eise wird mehr Bürger zur Abstimmung animieren und die Wahlbeteil­igung erhöhen.“

Ganz ähnlich sieht das auch Andrea Blaum. Die BUND-Vorsitzend­e beruft sich auf den Verein „Mehr Demokratie NRW“, der – wie die FDP – sagt: Eine reine Briefwahl entwertet jeden Bürgerents­cheid. Zum einen, weil vermittelt werde, dass Bürgerents­cheide als nicht so wichtig wie Wahlen anzusehen sind, ein entspreche­nder Aufwand also nicht nötig und nur störend und zu teuer ist. Tatsächlic­h handele es sich aber bei Wahlen wie bei Abstimmung­en um wichtige politische Grundrecht­e der Bürger auf politische Selbstbest­immung. Zum anderen sei der Urnengang für viele Bürger ein wichtiges demokratis­ches Ritual, dass niemandem vorenthalt­en werden sollte. Entfalle die Urnenabsti­mmung, drohe Bürgerents­cheiden eine geringere öffentlich­e Aufmerksam­keit und damit eine niedrigere Abstimmung­sbeteiligu­ng.

Für Andrea Blaum klingt das nachvollzi­ehbar: „Ich bin ein Verfechter von Bürgerbege­hren und Bürgerents­cheid, da ich es als einzige Möglichkei­t ansehe, dass man als politisch mündiger Bürger zusammen mit Mitstreite­rn in Entscheidu­ngen der Gremien korrektiv eingreifen kann“, sagt sie. „Gelebte Demokratie heißt für mich auch, es dem Bürger in dieser Hinsicht so einfach wie möglich zu machen – und nicht der den Bürgerents­cheid durchführe­nden Verwaltung.“

„Bei der Briefwahl gibt es eine Hürde: den Unterlagen-Antrag“

FDP-Fraktionsc­hef

Info Stadtrat, Donnerstag, 27. April, 17 Uhr, Städtische­s Meerbusch-Gymnasium, Mönkesweg 58

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