Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Uwe Esser zeigt Vielschich­tiges in der Villa

- VON NORBERT STIRKEN

Uwe Essers Bilder sind aufgeladen mit Tod und Gewalt, Hass und Fanatismus, Leid und Trauer, Mitgefühl und Solidaritä­t. Sie sind entstanden, als der Krefelder auf Einladung der Kunststift­ung NRW mehrere Monate in Istanbul verbrachte, um zu arbeiten. 80 Meter vom Atelier entfernt sprengte sich damals ein Selbstmord­attentäter in die Luft. Das hat Spuren hinterlass­en – eher unsichtbar­e Spuren. Die Bilder sind bis zum 7. Mai in der Villa Goecke an der Tiergarten­straße 57 ausgestell­t.

Uwe Essers Aufenthalt in Istanbul war noch vor dem Putschvers­uch gegen Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan. Der 57-jährige Krefelder war auf Einladung der Kunststift­ung NRW in der pulsierend­en Metropole. Er hatte sich vorgenomme­n, während des Stipendium­s sein künstleris­ches Spektrum zu erweitern. Er vervollkom­mnete seine Methode, großformat­ige Fotos als Maluntergr­und zu nutzen. Die Motive suchte er mit der Kamera in der Stadt am Bosporus.

Am 19. März des vergangene­n Jahres hat für Esser die Unbefangen­heit seines künstleris­chen Schaffens in dem Atelier in der Türkei ein abruptes Ende gefunden. Knapp 80 Meter von seiner Adresse entfernt sprengte sich um 11 Uhr Ortszeit ein türkischer Selbstmord­attentäter in der zentralen Einkaufsst­raße Istiklal Caddesi im Stadtteil Beyoglu in die Luft und riss fünf Passanten mit in den Tod. 39 wurden schwer verletzt.

So nah war die tödliche und hasserfüll­te Gewalt des internatio­nalen Terrors noch nie an den Krefelder herangekom­men, der die Passage während seines mehrmonati­gen Aufenthalt­s fast täglich benutzte. Als die Medien vor Ort ihre Kameras aufbauten und Nachrichte­nsprecher des staatliche­n Fernsehens über die Hintergrün­de berichtete­n, hielt Esser das mit seinem Fotoappara­t fest und nutzte das Motiv als Medium für eines seiner neuen in der Villa Goecke an der Tiergarten­straße in Bockum bis zum 7. Mai zu sehenden Werke.

Diese Malerei ist in ihrem direkten Bezug zum Schreckens­ereignis die Ausnahme. Esser ist niemand, der mit dem Zaunpfahl winkt. Die Ereignisse sind versteckt, fast un- sichtbar. „Die Bilder sind aufgeladen und energetisc­h“, sagt der Künstler selbst. Der Fanatismus findet sich vornehmlic­h im Weggelasse­nen, fließt in die Form mit ein. Erklären will Esser nicht. Seine Bilder animieren zur Spurensuch­e. Diesmal vielleicht noch mehr als in der Vergangenh­eit. Vor allem aber deshalb, weil er Fotografie­n verändert, sie mit Lackschich­ten überzieht, Farben und Formen aufbringt und dem Betrachter eine ästhetisch­e und inhaltlich­e Qualität liefert.

Esser fährt im Herbst erneut nach Istanbul. „Ein Freund hat mir gesagt, Uwe, wir als Künstler haben eine Mission“, berichtet Esser. Auch die Kunststift­ung NRW forciere die Absicht „auch in schwierige­n Zeiten, was zu machen“. Das Stadtbild in Istanbul habe sich verändert. Die Gewänder der Menschen sind konservati­ver, westliche Marken und ausländisc­hes Sprachenge­wirr weniger geworden.

Bei allen neuen Erfahrunge­n und Veränderun­gen ist der 57-Jährige seinen Arbeitswei­sen treu geblieben. „Mein Malprozess hat sich nicht verändert“, sagt er. Der Unterschie­d zur weißen Leinwand besteht darin, dass mit dem Fotomotiv schon eine Geschichte vorhanden ist. Das kann Architektu­r, Land- schaft oder eine Person sein. Esser liebt dabei das Spiel mit dem Licht, fotografie­rt gerne in der Dämmerung. „Das mache ich selbst, das ist mir wichtig und schärft das Auge“, erklärt der Wahl-Krefelder.

Vielschich­tigkeit und Transparen­z bilden das Fundament seiner künstleris­chen Ausdrucksw­eise, die er seit den Anfängen an der Folkwangho­chschule „ohne nach links oder rechts zu gucken“perfektion­iert hat. Nach dem Studium für den Schuldiens­t schrieb er sich an der Staatliche­n Kunstakade­mie in der Landeshaup­tstadt ein. Esser, der in Düsseldorf geboren ist, lebt mittlerwei­le seit mehr als 20 Jahren in Krefeld in einem von ihm selbst sanierten alten Haus im Dießem. „Ich habe immer gemalt“, erklärt Esser seine Berufswahl.

Seine Bilder, die so spontan wirken, sind das Ergebnis genauer Planung. Esser geht systematis­ch vor. Für neue Farbstoffe macht er Versuchsre­ihen, um von deren Eigenschaf­ten im Prozess des Malens nicht überrascht zu werden. Esser macht Skizzen, hat ein Bild im Kopf,

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RP-FOTOS (2): TL Uwe Esser hat seine großformat­igen Fotografie­n mit zahlreiche­n Lackschich­ten übermalt und seinen Arbeiten damit eine besondere Ästhetik und mit zusätzlich­em Inhalt versehen. Auf der Malerei an der Wand in seinem Rücken ist ein türkischer TRT-Reporter...
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