Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
RP-ONLINE.DE/WIRTSCHAFT
DÜSSELDORF Zunächst herrscht Verwirrung: Wo ist Rolf Schrömgens? Drei Bürogebäude hat die Hotelsuchmaschine Trivago aufgrund des rasanten Wachstums inzwischen in Düsseldorf belegt. 2017 will Trivago erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielen. Doch die Gebäudevielfalt birgt Fehlerpotenzial. Der eine in Gebäude A, die anderen in C – diese Zeiten sollen bald vorbei sein. 2018 soll der neue Campus für rund 2000 Mitarbeiter im Düsseldorfer Medienhafen fertig sein. Gefühlt besteht Ihre neue Zentrale nur aus Balkonen, Sitzecken und einer großen Jogging-Strecke auf dem Dach. Warum bauen Sie nicht einfach ein normales Bürogebäude? SCHRÖMGENS Das hat viel mit unserer Kultur zu tun. Wir glauben nicht, dass man Arbeitswelt und Privatwelt trennen sollte. Bei uns gibt es keine Anwesenheitspflicht. Wir zählen keine Arbeitsstunden, keine Urlaubstage. Arbeitszeit ist kein Indikator für Arbeitsleistung. Wenn man so denkt, muss man sich fragen: Wie schaffe ich es trotzdem, dass die Mitarbeiter zusammenkommen? Und, wie gelingt das? SCHRÖMGENS Wir müssen die besten Arbeitsbedingungen schaffen. Warum sollte ich mich in ein kleines Büro mit veraltetem Rechner setzen? Dann gehe ich doch lieber mit dem Laptop in den Park. Also muss man das produktivste Arbeitsumfeld schaffen, mit gutem Essen, Kommunikationsmöglichkeiten, Sportangeboten. Das Büro sollte so lebenswert sein wie die eigenen vier Wände. Trotzdem gibt es gesetzliche Vorschriften, die gelten. SCHRÖMGENS Die widersprechen unserer Idee auch nicht. Es macht schon Sinn, dass Leute mindestens 24 Tage Urlaub kriegen sollen. Wir erinnern sie auch daran, wenn sie ihn nicht nehmen, aber wir wollen solche Dinge nicht zum einzigen Maßstab machen. Eine Mitarbeiterin war gerade sieben Wochen in Südafrika. Die hat aber vorher einen super Job gemacht. Auch das ist in Ordnung. Leben Sie das als Chef denn auch vor? SCHRÖMGENS Ich nehme mir auf jeden Fall viel Freiheit, mache auch schon mal tagsüber private Termine. Die Kommunikation spielt sich mit den meisten Leuten ja sowieso virtuell ab. Die wissen gar nicht, ob ich gerade zu Hause bin oder unterwegs. Ich könnte daher gar nicht sagen, wie lange ich arbeite. Das stresst mich aber auch nicht. Nur zum Urlauben komme ich zu selten. Deswegen überlege ich gerade, ob ich mal drei Wochen den Jakobsweg gehen soll. Mit oder ohne Handy? SCHRÖMGENS Ohne natürlich. Gab es nie den Gedanken, NRW dauerhaft zu verlassen – auch als Firma? SCHRÖMGENS Das war bei uns nie Thema. Wir haben uns hier immer wohlgefühlt, und ab einer gewissen Größe ist es für Unternehmen auch schwer, noch einmal komplett umzuziehen. So eine Frage stellt sich eher für kleine Firmen. Da kenne ich auch viele, die in der frühen Phase – trotz deutschem Gründer – die Entscheidung treffen, wegzugehen. Können Sie das nachvollziehen, als jemand, der hier geblieben ist? SCHRÖMGENS Ja, ich kann das verstehen. In einer gewissen Phase gibt es einfach immer noch viele Vorteile im Silicon Valley oder auch in Berlin, allein schon bei der Finanzierung. An diesem Punkt sollte man daher als Stadt oder Landesregierung am meisten unterstützen. Denn viele Unternehmen kommen sonst gar nicht in die Phase, in der sie sagen: Jetzt wechseln wir den Standort nicht mehr. Das ist besorgniserregend. Inwiefern? SCHRÖMGENS Ich glaube, dass die meisten klassischen Großunternehmen in den nächsten 20 Jahren extrem unter Druck kommen werden. Nur wenige werden sich langfristig halten können. Junge Unternehmen werden sie ersetzen und die alten Geschäftsmodelle atomisieren. Wenn man da als Stadt oder Land nicht gut aufgestellt ist, um diese Start-ups zu fördern, hat man ein Problem. Wie ist das denn mit Ihrem Geschäftsmodell? Womit verdienen Sie Geld, wenn alle in Privatunterkünften schlafen, die von Airbnb vermittelt wurden statt in Hotels? SCHRÖMGENS Klar kann es sein, dass wir ersetzt werden. Aber wir versuchen, dynamisch zu bleiben. Das Verhalten der Menschen können Sie aber nicht beeinflussen. SCHRÖMGENS Stimmt. Ich glaube aber nicht an eine Zukunft, in der jeder sein Haus an andere vermietet, wenn er nicht da ist. Dafür sind vielen die eigenen vier Wände zu heilig. Aber der Markt wird sich verändern. SCHRÖMGENS Natürlich, er wird facettenreicher, aber dabei werden sich professionelle Anbieter durchsetzen. Ich vergleiche das gerne mit Ebay. Ende der 1990er dachte ich: Das verändert alles. Von jetzt an wird jeder an jeden verkaufen. Wenn man sich heute Ebay anschaut, stammt der Großteil der Angebote von ProfiHändlern. Heute ist Ebay ein schlechtes Amazon. Was lernen Sie daraus für Trivago? SCHRÖMGENS Wenn wir über unser zukünftiges Angebot sprechen, geht es um alle Orte, an denen man schlafen kann. In Zukunft wollen wir unsere Angebote aber noch viel stärker personalisieren. Aus der Kombination verschiedener Daten ergibt sich ein digitaler Fingerabdruck: Wer Ende September ein Hotel in München sucht, will vielleicht zum Oktoberfest. Je mehr Informationen man uns aktiv gibt, umso besser können wir auch das Angebot für ihn machen. Es wird viele Leute geben, die uns dafür beispielsweise Zugriff auf ihr Facebook-Profil geben werden. Wenn jemand das nicht möchte, akzeptieren wir das natürlich auch. Wieso haben Sie Ihre Suchfunktion noch nicht auf andere Bereiche ausgeweitet, zum Beispiel Flüge? SCHRÖMGENS Weil wir noch nicht gut darin sind, Hotels zu finden. Wie bitte? SCHRÖMGENS Wir haben einfach noch so viele Möglichkeiten, bei der Hotelsuche besser zu werden. Es reicht uns nicht, nur relativ besser zu sein als die Konkurrenz. Woran machen Sie das fest? SCHRÖMGENS Ich war zuletzt in San Francisco. Natürlich nutze ich Trivago selber, es ist ja die beste Suche... Na klar. SCHRÖMGENS ... das ist wirklich so. Ich suche meistens nach Hotels, die von anderen mit vier oder fünf Sterne bewertet wurden, dadurch fallen aber tolle Plätze raus, weil sie weniger Sterne haben, für meine Bedürfnisse aber völlig ausreichend wären. Ich suche ja gar nicht nach den vier Sternen, sondern lediglich nach einem Hotel, das gewisse Sauberkeitskriterien erfüllt. Jeder Gast hat andere Bedürfnisse. Unsere Suche findet noch nicht das perfekte Angebot für jeden Einzelnen. Solange das so ist, haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt. FLORIAN RINKE UND JAN SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.