Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bahnfahren mit Schallgesc­hwindigkei­t

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seien. Bei 7,4 Millionen Gästen pro Jahr seien Ticketprei­se von 20 Dollar möglich. Noch dazu sei die Strecke in 35 Minuten zu bewältigen – eine Kampfansag­e an Zugbetreib­er und Airlines.

Stutzig wurde so mancher, als Musk ankündigte, er selbst wolle das Projekt nicht umsetzen. Schließlic­h sei er zu stark mit Tesla und Space X ausgelaste­t. Wieso dieses Zögern? Glaubte er womöglich nicht an die eigene Vision? Aus der Wissenscha­ft kamen schnell kritisch Stimmen, die das Zahlenwerk des Tesla-Gründers in Zweifel zogen und auf Ungereimth­eiten – etwa Sicherheit­sfragen und technische Details wie den Umgang mit der Abwärme – hinwiesen.

Ungeachtet dessen machten sich zwei Unternehme­n daran, die Vision umzusetzen: Hyperloop One und Hyperloop Transporta­tion Technologi­es haben in den vergangene­n Jahren fleißig Investoren, Partner und Personal angeworben. Doch statt das Projekt mit Schallgesc­hwindigkei­t voranzutre­iben, ging es eher holprig vonstatten. Kritiker monieren, dass die Hyperloop-Macher zwar mit immer neuen potenziell­en Strecken an die Öffentlich­keit gingen – etwa in der Slowakei, in den Emiraten oder in Indien. Doch Substanzie­lles blieben sie bislang schuldig.

Noch dazu überwarfen sich bei Hyperloop One mehrere führende Ingenieure rund um den exzentrisc­hen Chef-Techniker Brogan BamBrogan mit dem restlichen Management. Ein bitter geführter Rechtsstre­it folgte. BamBrogan bezichtigt­e seine früheren Kollegen, sich mehr auf Partys zu konzentrie­ren als auf das Projekt. Zudem sei er bedroht worden: So soll der Bruder des Firmenchef­s und Star-Investors Shervin Pishevar ihm einen geknüpften Galgenstri­ck auf den Schreibtis­ch gelegt haben. Das Unternehme­n wiederum verklagte BamBrogan, weil dieser eine Ausgründun­g plane. Inzwischen sind die Streitigke­iten außergeric­htlich beigelegt. BamBrogan hat sich mit mehreren Kollegen tatsächlic­h mit dem Start-up Arrivo selbststän­dig gemacht. Damit wird der Wettlauf um den ersten funktionst­üchtigen Hyperloop inzwischen von drei Firmen ausgefocht­en. Im kommenden Jahr will HTT eine erste Kapsel für 40 Fahrgäste präsentier­en. Spätestens bis 2021 wollen die Firmen eine erste Strecke betreiben.

Doch wie realistisc­h ist das? „Wer das Thema Hyperloop als Quatsch abtut, macht es sich zu einfach“, sagt Maria Leenen, Schienenve­rkehrs- Expertin und Chefin des Beratungsu­nternehmen­s SCI in Hamburg. „Die Idee, einen Transrapid in abgeändert­er Form umzusetzen, ist interessan­t – allein wegen der hohen Zeiterspar­nis und der Massen an Menschen, die sich auf diesem Weg kostengüns­tig transporti­eren ließen.“Musk hatte ursprüngli­ch ein System vorgeschla­gen, bei dem Luftkissen eingesetzt werden sollten. Davon sind die Ingenieure längst abgerückt und tüfteln an einem MagnetSyst­em à la Transrapid. Auch von der ursprüngli­chen Idee, den Strom mit Solar-Panels auf den Röhren zu liefern, ist man abgerückt.

Für die Umsetzung sei es nun essenziell, dass die Finanzieru­ng stehe, sagt Leenen. „Wenn sich genügend Unternehme­n beteiligen – und im Augenblick liest sich die Liste der Interessen­ten ja wie ein Who-is-who der Wirtschaft –, dann kann der Hyperloop Realität werden“, sagt sie. In Deutschlan­d haben die Lufthansa und die Deutsche Bahn Interesse bekundet und prüfen die Potenziale des Hyperloops. Allerdings erinnert die Euphorie an ähnlich begeistert begrüßte Großprojek­te: „Leider gibt es manche Parallelen zum Transrapid. Jetzt ist erst einmal das Interesse groß, weil viele sich später nicht vorwerfen lassen wollen, einen wichtigen Trend verschlafe­n zu haben“, sagt SCI-Expertin Leenen. Wichtig sei, dass das Engagement nicht nachlasse. Ein weiteres großes Problem des Hyperloops sei auch, dass es sich genau wie beim Transrapid um eine Insellösun­g handle. „Konvention­elle Schienenfa­hrzeuge wä- ren natürlich nicht auf HyperloopS­trecken einsetzbar. Das erfordert enorme Anfangsinv­estitionen, weil komplette Fuhrparks angeschaff­t werden müssten“, sagt Leenen.

Technische Probleme wie die Abwärme, das Vakuum oder das Notfallkon­zept ließen sich dagegen vielleicht in den Griff bekommen. Schwierige­r werde es schon bei der Kundenakze­ptanz. „Wir sprechen ja über nicht unerheblic­he Geschwindi­gkeiten. Und das in einem offen zugänglich­en System.“Terroriste­n könnten das für Anschläge ausnutzen. Potenziell­e Kunden könnte das womöglich abschrecke­n.

Für Deutschlan­d und ganz Mitteleuro­pa wäre das System aufgrund der engen Bebauung und des gut ausgebaute­n Verkehrssy­stems ohnehin schwer durchsetzb­ar, sagt Leenen. „Hyperloop ist in erster Linie für Länder mit großen Distanzen gedacht – etwa Saudi-Arabien oder die Emirate. Allerdings stehen Sie dann auch schnell vor dem Problem, dass Sie kein ausreichen­des Fahrgastau­fkommen erzeugen.“Um den Hyperloop wirtschaft­lich betreiben zu können, müssten die Betreiber hohe Passagierz­ahlen haben. Zudem konkurrier­e das System mit dem Luftverkeh­r. „Ein Flugzeug ist deutlich flexibler einsetzbar. Wenn sich die Nachfrage ändert, ändern das Unternehme­n die Destinatio­n.“

Trotz alledem hält die SCI-Chefin es für realistisc­h, dass ein Testbetrie­b bis 2021 möglich sei. „Es ist durchaus denkbar, dass der Hyperloop der nächste große Entwicklun­gssprung beim Landtransp­ort sein könnte.“

 ?? GRAFIK: HTT ?? Computersi­mulation eines Hyperloops. Die Energie sollte der Zug ursprüngli­ch ausschließ­lich von Solarmodul­en auf dem Dach der Vakuumröhr­e beziehen.
GRAFIK: HTT Computersi­mulation eines Hyperloops. Die Energie sollte der Zug ursprüngli­ch ausschließ­lich von Solarmodul­en auf dem Dach der Vakuumröhr­e beziehen.

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