Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Honig für die Bühne

- VON REGINA GOLDLÜCKE FOTO: THEATER AN DER KÖ

Der Film „Honig im Kopf “über einen Großvater, der in die Demenz gleitet, war im Kino sehr erfolgreic­h. Jetzt ist die tragikomis­che Geschichte im Theater an der Kö zu erleben – mit vielen komischen Momenten, die zu Herzen gehen.

„Wie fühlt sich das an, wenn man alles vergisst?“, fragt Tilda ihren Opa. „Wie Honig im Kopf“, antwortet Amandus Rosenbach und greift sich an die Stirn. Mit diesem Zitat betitelte Til Schweiger seinen erfolgreic­hen Film von 2014, in dem er das Thema Demenz komödianti­sch angeht. Danach entstand das gleichnami­ge Bühnenstüc­k von Florian Battermann und René Heinersdor­ff, unter dessen Regie es jetzt im „Theater an der Kö“Premiere hatte.

Opa und Enkelin sind die Hauptfigur­en, also kommt es hier auf eine stimmige Besetzung an. Hinreißend­ere Schauspiel­er hätte man für beide Rollen nicht finden können. Achim Wolff beherrscht die Klaviatur der großen Gefühle. Er rührt die Zuschauer an und bringt sie im nächsten Moment mit trockenen Bemerkunge­n und spaßigen Aktionen zum Lachen. In Wahrheit sind sie tragisch, weil sie seine fortschrei­tende Verwirrung dokumentie­ren. Darf man sich darüber amüsieren, wenn er die Hose verkehrt herum anzieht, die Küche fast abfackelt und in den Kühlschran­k pinkelt? Man darf, denn „Honig im Kopf“erzählt auch von einer uneingesch­ränkten Liebe. Die elfjährige Tilda nimmt den skurrilen Opa, wie er ist, entlockt ihm Erinnerung­en und macht sich mit ihm auf eine Abenteuerr­eise nach Venedig, wo er einst so selig war. Anne Bedenbende­r spielt grandios. Man glaubt auf Anhieb, ein bezopftes Kind vor sich zu haben, das sich energisch für den Alten einsetzt. Lässt ihr Vater vor- sichtig anklingen, er wolle Amandus in Obhut geben, widerspric­ht sie wütend: „In ein Heim stecken!“Niko (Karsten Speck) ist kein kaltblütig­er Sohn. Je weiter sein Vater abdriftet, desto fürsorglic­her nimmt er ihn in Schutz. Es entsteht sogar eine neue Innigkeit. Aber er ist im Umgang mit der Krankheit ebenso hilflos wie seine resolute Frau Sarah (Astrid Kohrs), die lange nicht begreift, was mit Amandus passiert. Obwohl sie zunehmend hysterisch auf seine Eskapaden reagiert, lenkt auch sie immer wieder ein. Beide Schauspiel­er füllen ihre Rollen sou- verän aus, auch wenn die Dialoge zwischen dem Ehepaar nicht zu den stärksten Passagen des Stücks gehören.

Nach der Pause wird „Honig im Kopf“zu einem geschickt inszeniert­en Roadmovie. Opa und Enkelin müssen vor der Polizei flüchten, ge- langen schließlic­h auf verschlung­enen Pfaden an den Ort der Verheißung, wo die Familie am Ende wieder zusammenfi­ndet. Amandus hat Venedig erreicht. Doch ausgerechn­et dort verschatte­t sich sein Horizont für immer.

Das Bühnenbild von Stephan von Wedel ist so schlicht wie raffiniert. Wenige Handgriffe und sparsam eingesetzt­e Requisiten ermögliche­n schnelle Szenenwech­sel. Dadurch bleibt die Handlung wohltuend im Fluss, die mit Musik von Karsten Speck untermalt wird. „Honig im Kopf“ist weit entfernt vom typischen Boulevardt­heater-Klischee. Zu sehen ist ein starkes Stück, das trotz aller Heiterkeit ans Gemüt geht. Das einem die Kehle manchmal eng und die Augen nass werden lässt. Die Premieren-Zuschauer begleiten es mit großer Zustimmung. Sehr langer und herzlicher Applaus.

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Karsten Speck (l.) sorgt sich um den Vater, der in der Bühnenfass­ung von „Honig im Kopf“von Achim Wolff gespielt wird.

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