Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Krumm und trotzdem lecker

- VON SASKIA NOTHOFER FOTO: ANDREAS ENDERMANN

In dem Kölner Supermarkt „The Good Food“werden Lebensmitt­el angeboten, die es wegen kleiner Schönheits­fehler nicht in herkömmlic­he Verkaufsre­gale geschafft haben. Gemüse und Obst etwa kommen vom Lammertzho­f in Kaarst.

KÖLN/KAARST Hunderte mit Erde bedeckte Möhren stapeln sich vor der Reinigungs­maschine auf dem Lammertzho­f in Kaarst. Bauer Heinrich Hannen, Inhaber des Biohofs in fünfter Generation, nimmt eine Hand voll der orangefarb­enen Rüben, betrachtet sie und sagt: „Einige sind zwar etwas schrumpeli­g oder angefresse­n, trotzdem sind sie noch ohne Bedenken zu essen. Verkaufen können wir sie aber trotzdem nicht.“

Laut einer WWF-Studie werfen die Deutschen pro Jahr mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmitt­el weg. Auch viele Erzeugniss­e der Bauern landen in der Tonne. Und zwar nicht weil sie schlecht sind, sondern weil die Kartoffeln, Karotten, Tomaten oder Gurken zu krumm, zu klein, zu dick oder zu schrumpeli­g sind. „Der Markt entscheide­t, was Qualität bei Lebensmitt­eln bedeutet, und die Verbrauche­r möchten eben meist den schönsten Apfel und die perfekte Gurke kaufen“, so Bauer Hannen. Die Märkte seien überfüllt, und erst wenn irgendwann einmal Knappheit herrschte, würden Verbrauche­r vielleicht umdenken.

Nicole Klaski hat das bereits getan und sogar schon gehandelt. Die 34jährige Kölnerin hat im Januar den Reste-Supermarkt „The Good Food“in Köln-Ehrenfeld eröffnet. Dort verkauft sie Lebensmitt­el, die es nicht in den üblichen Handel schaf- fen oder die das Mindesthal­tbarkeitsd­atum überschrit­ten haben. „Mich hat es verärgert, wie viele Lebensmitt­el täglich weggeschmi­ssen werden“, so Klaski, die ein Jurastudiu­m abgeschlos­sen hat. Man solle auch nicht vergessen, wie viele andere wichtige Ressourcen wie Wasser oder Energie an der Lebensmitt­elprodukti­on beteiligt seien und somit gleich mit verschwend­et würden.

Einmal pro Woche fährt Klaski daher auf den Lammertzho­f und holt das nach Saison variierend­e Gemüse ab. Kostenlos natürlich. Und manchmal erntet sie sogar selbst. „40 bis 50 Prozent des Ertrags wird von den Bauern gar nicht erst geerntet, da es nicht den Normen des Handels entspricht“, erklärt die 34-Jährige. Es sei aber einwandfre­i und wandere daher in ihre Verkaufsre­gale.

Auch mit anderen Höfen und Anbietern hat die Kölnerin Kooperatio­nen. Ein festes Sortiment gibt es aber nicht. Um die Kunden trotzdem im Vorfeld über das Angebot zu informiere­n, nutzt Klaski die Face- book-Seite ihres Ladens (siehe Infokasten). Den Preis für die Waren bestimmen die Kunden bei „The Good Food“selbst. Laut Klaski funktionie­re dieses System gut. Die einen zahlten etwas mehr, die anderen etwas weniger, andere orientiert­en sich an üblichen Supermarkt­preisen. „Die laufenden Kosten können wir auf jeden Fall decken“, so die Inhaberin. Ihre Mitarbeite­r arbeiten bislang alle ehrenamtli­ch.

Heinrich Hannen ist glücklich über die Kooperatio­n mit der Kölnerin. „Die Betriebe werden immer größer und die Produktion­sketten immer anonymer“, so der Bauer. „Ich bin froh, dass wir hier noch kleine Kreisläufe nutzen und persönlich kommunizie­ren.“

Für die Zukunft wünscht sich Klaski, vielleicht noch einen weiteren Laden zu eröffnen und die Kunden mit ihren Waren zu beliefern – umweltscho­nend natürlich: mit einem Lastenrad.

 ??  ??
 ??  ?? Heinrich Hannen, Inhaber vom Lammertzho­f in Kaarst, sucht mit Nicole Klaski Karotten aus, die sie in ihrem kleinen Supermarkt „The Good Food“in Ehrenfeld verkaufen kann.
Heinrich Hannen, Inhaber vom Lammertzho­f in Kaarst, sucht mit Nicole Klaski Karotten aus, die sie in ihrem kleinen Supermarkt „The Good Food“in Ehrenfeld verkaufen kann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany