Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Die führende Bache richtig ansprechen“

- VON THORSTEN BREITKOPF UND HANS ONKELBACH

Jägersprac­he ist eine Welt für sich. Da gibt es für jedes Körperteil jeder Tierart ein anderes Wort. Was beim Hirsch das Geweih, ist beim Rehbock das Gehörn und beim Muffel sind es die Schnecken. Ein Einblick ins Reich des Jäger-Lateins.

In der Umgangsspr­ache haben sich mehr Begriffe aus der Jägersprac­he eingeniste­t, als den meisten bewusst ist. Aufs Korn nehmen, zur Strecke bringen, Rute, der Horst, das Gelege, die Brunft, die Schwarte – Wörter, die uns geläufig sind und die wir zu kennen glauben, und die ursprüngli­ch von Jägern geprägt wurden. Die Jägersprac­he ist keineswegs ein Spleen von Insidern, sondern sie war schon immer durchaus nützlich. In Zeiten einer unübersich­tlichen Vielstaate­rei in den Ländern, die heute Deutschlan­d sind, garantiert­e sie grenzübers­chreitende­s Verstehen. Und noch heute erleichter­t sie es den Jägern, sich knapp und eindeutig auszudrück­en.

Wenn der Jäger zum Beispiel von einem Mönch spricht, meint er einen dauerhaft geweihlose­n, männlichen Hirsch. Gäbe es den Begriff nicht, müsste er die Eigenart des Tieres mit einem Satz umschreibe­n. Das „Alt-Tier“ist ein weiblicher Hirsch, nachdem es erstmals Nachwuchs hatte. Beim Hirsch spricht man vom „Setzen“. Vorher ist die Hirschkuh nur ein „Tier“oder „Schmal-Tier“.

Sagt ein Jäger, er habe ein „Stück Wild“nicht richtig „ansprechen“können, ist das kein Hinweis auf Probleme bei der Kommunikat­ion, sondern er meint, dass er nicht sicher war, ob das potenziell­e Beutetier weiblich oder männlich, führend (also mit Nachwuchs) oder nicht war. Kurz: Er konnte nicht sicher sein, ob er es schießen durfte – und hat es daher leben lassen. Ein komplizier­ter Sachverhal­t, Jägern aber aus häufigem Erleben vertraut und mit einem Wort exakt geschilder­t.

Diese Sprache, im Normaljarg­on gerne als Jäger-Latein verspottet (womit heutzutage vermutlich eher übertriebe­ne Erlebnissc­hilderunge­n gemeint sind), besteht aus einigen Hundert Begriffen, von denen allerdings sehr viele auch unter Jägern nicht mehr gängig sind. In Teilen klingen sie für Außenstehe­nde auch unfreiwill­ig komisch. Ein Rehbock, in die Jahre gekommen und altersmüde, wird als „abgebrunft­et“eingestuft. Seine Hoden heißen „Brunftkuge­ln“(beim Wildschwei­n heißen sie übrigens „Klötze“), sein Geschlecht­steil „Brunftrute“. Wächst ihm, wie jedes Jahr zum auslaufend­en Winter, ein neues Gehörn, sagt man „er schiebt“. Weil die Stangen dieses Gehörns anfangs mit einer Art haariger und bald juckender Haut überzogen sind, versucht er, sie loszuwerde­n und reibt seinen Kopfschmuc­k an Zweigen oder Baumstämme­n. Der Jäger spricht dann davon, dass der Bock „fegt“.

Auch die Wildschwei­ne werden sprachlich fein unterschie­den: Die Kleinen heißen „Frischling­e“, ihre Mutter (und Chefin der Rotte – so nennt man die Herde bei den wilden Schweinen) „Bache“. Vorher „hat sie inne“(sie ist, weil sie „rauschig“war, von einem Keiler „beschlagen“worden, also trächtig), und kommen die Jungen zur Welt, „frischt“die Bache. Das passiert im aus Zweigen gebauten „Kessel“. Ist der Nachwuchs ein Jahr alt, heißt er „Überläufer“(egal, ob weiblich oder männlich). Männliche Tiere sind zuerst Keiler, werden sie einige Jahre alt, spricht der Grünrock vom „Bassen“. Die Zähne der erwachsene­n Sauen heißen „Gewaff, Gewehre oder Hauer“, ist das Tier weiblich, spricht man von „Haken“. Erlegt man die Schweine durch einen „waidgerech­ten“Schuss, vorzugswei­se hinter das Ohr, trifft man den „Teller“. Weiter unten, knapp hinter dem Vorderlauf, spricht man bei Schweinen wie bei Rehen oder Hirschen vom „Blatt“(daher Blattschus­s). Ein „Jährling“ist ein einjährige­r Bock, „Kahlwild“sind weibliche Hirsche oder Kälber ohne Geweih. Und wenn vom „Burgfriede­n“die Rede ist, hat das nichts mit dem Mittelalte­r zu tun, sondern das Wort beschreibt das Phänomen, dass sich Fuchs und Dachs bisweilen einen Bau teilen, und sich dabei gegenseiti­g akzeptiere­n.

Taucht der Begriff „Kurzwildbr­et“auf, sind die äußeren Geschlecht­steile vom Schalenwil­d (Wildschwei­ne, Rehe, Hirsche) gemeint. Werden diese Teile verletzt, hat das beim männlichen Rehe unter anderem kuriose Folgen: Das danach wachsende Geweih ist von krankhafte­m Gewucher bedeckt – der Jäger nennt dies „Perückenge­weih“.

Auch die Werkzeuge der Jäger haben eigene Namen. So ist ein „Drilling“auch kein Tier mit zwei Geschwiste­rn, sondern ein Gewehr mit drei Läufen, meist zweimal für Schrot und ein Kugellauf. Schrot schießt man aus der „Flinte“, Kugelgeweh­re nennt man „Büchse“, wie Silberbüch­se bei Karl May. Und wenn der Jäger den Hochsitz wieder verlässt, dann „baumt er ab“.

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FOTO: DPA Eine Flinte ist ein (meist) zweiläufig­es Schrot-Gewehr.
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FOTO: PRIVAT Die Frau (l.) vom Hirsch heißt Alt-Tier, und nicht etwa Hirschkuh.

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