Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

HORST SEEHOFER „Das Instrument Obergrenze bleibt“

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Der CSU-Chef über den Ausstieg aus der Politik, die NRW-Wahl und darüber, warum er an eine Renaissanc­e von Schwarz-Gelb glaubt.

… und musste von NRW mit Millionen aufgepäppe­lt werden. SEEHOFER Ja, aber was wir in den ersten 40 Jahren des Länderfina­nzausgleic­hs insgesamt bekommen haben, zahlen wir heute in ein, zwei Jahren ein. Wir machen in Bayern eine solide Wirtschaft­spolitik, eine exzellente Bildungspo­litik und sind in der Innenpolit­ik konsequent. Wir haben solide Finanzen. Länder mit soliden Finanzen haben eine stärkere Wirtschaft. All das ist doch in NRW anders. Es kommt darauf an, wer regiert. In NRW muss ein Regierungs­wechsel her. Armin Laschet wird das Land als Ministerpr­äsident wieder nach vorne bringen. Herr Laschet behauptet, die Kölner Silvestern­acht wäre so in München nicht passiert. SEEHOFER Das stimmt. Die Sicherheit der Bevölkerun­g ist das höchste Gut. Bei uns gilt null Toleranz gegenüber Kriminelle­n und Chaoten, und wir setzen auf eine hohe Polizeiprä­senz. Nehmen Sie den G7-Gipfel in München. Es ging keine einzige Scheibe zu Bruch. Wir hatten drei Polizisten für einen Demonstran­ten. Darüber haben sich einige Demonstran­ten beschwert. Aber sie hätten ja in stärkerer Zahl kommen können. Klingt fast nach Polizeista­at. SEEHOFER Die Sicherheit der Bevölkerun­g ist die wichtigste staatliche Aufgabe. Umso schlimmer ist es, was sich hier in NRW SPD-Innenminis­ter Jäger leistet. Pannen und Peinlichke­iten, aber schuld sind immer andere. Wir brauchen überall in Deutschlan­d ausreichen­d Polizei, eine gute Ausstattun­g der Sicherheit­skräfte, aber auch die richtigen rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. Muss man nachbesser­n? SEEHOFER Ja. Ein Beispiel: Beim Wohnungsei­nbruch muss es eine Freiheitss­trafe von mindestens einem Jahr geben. Das ist in der Koalition in Berlin beschlosse­n, aber der Justizmini­ster hat es leider nicht eilig mit dem Gesetz. Wir müssen der Polizei bei einem Einbruch auch erlauben, vorübergeh­end auf die Kommunikat­ionsdaten im Umfeld des Einbruchso­rts zuzugreife­n. Das ist heute nur bei einem bandenmäßi­gen Einbruch möglich, aber das lässt sich schwer beweisen. Täter sind oft nicht alleine, erkunden die Gegend vorher und sprechen sich ab. Der Einbruch ist für mich nach dem Angriff auf Leib und Leben das schlimmste Verbrechen. Hier wird die Intimsphär­e der Menschen angegriffe­n. Tausende Flüchtling­e sind wieder auf der Mittelmeer-Route unterwegs. Eine neue Flüchtling­sbewegung? SEEHOFER Das Thema Zuwanderun­g bleibt. Deshalb brauchen wir eine belastbare Antwort für die Zukunft. Fachleute schätzen, dass bis zum Jahr 2030 weitere 20 Millionen Zuwanderer nach Europa kommen wollen. Jetzt ist es wieder akut. . . SEEHOFER Das ist ein frühes Signal dafür, was noch kommt. Deshalb brauchen wir ein Konzept. An erster Stelle steht für die CSU die Bekämpfung der Fluchtursa­chen, worum sich die Bundesregi­erung ja intensiv bemüht. An zweiter Stelle kommt die europäisch­e Lösung zur Begrenzung der Zuwanderun­g. Wie soll die konkret funktionie­ren? SEEHOFER Italien und Griechenla­nd allein können nicht für Europa das Problem lösen. Sie brauchen mehr logistisch­e und finanziell­e Hilfe von der EU für die Asylverfah­ren vor Ort und die Versorgung der Flüchtling­e. Eine EU-Mission in Italien? SEEHOFER Ja, ein kraftvolle­s EU-Engagement muss kommen. Wir müssen die Außengrenz­e gemeinsam schützen, das Durchwinke­n der Flüchtling­e darf es nicht mehr geben. Deshalb müssen auch die Grenzkontr­ollen, etwa an der deutsch-österreich­ischen oder deutsch-schweizeri­schen Grenze, bleiben. Der Brenner müsste not- falls dichtgemac­ht werden. Die Situation von 2015 will keiner mehr. In der Flüchtling­spolitik war die Auseinande­rsetzung zwischen Ihnen und der Bundeskanz­lerin hart und verletzend. Haben Sie der Union geschadet? SEEHOFER Ich weiß nicht, woraus Sie das schließen. Angela Merkel und ich sind auch in der heißen Phase der Auseinande­rsetzungen vernünftig und profession­ell miteinande­r umgegangen, auch wenn uns das niemand glauben will. Ich kann aber meine Überzeugun­gen nicht verhehlen. Sie haben bei jeder Gelegenhei­t die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin öffentlich angegriffe­n. SEEHOFER Ich habe an meiner Meinung festgehalt­en. Vieles von dem, was ich gefordert habe, ist ja inzwischen auch umgesetzt worden. Der Soldat, der sich als syrischer Flüchtling tarnen konnte: Ist das ein Ergebnis der Herrschaft des Unrechts, wie Sie die Lage mal beschriebe­n haben? SEEHOFER Na, jedenfalls beschreibt das den Kontrollve­rlust, den wir zeitweise in diesem Land zugelassen haben. Ein deutscher Asylbewerb­er? Wer soll mir das noch erklären? Es ist genauso irre, dass Hunderttau­sende Flüchtling­e ein Formblatt ausfüllen konnten, und schon waren sie anerkannte Asylbewerb­er. Wir müssen allein aus Sicherheit­sgründen bei den anerkannte­n Asylbewerb­ern, deren Identität nicht zweifelsfr­ei nachgewies­en ist, noch mal genau hinschauen. Das kann Monate dauern. SEEHOFER Das muss uns die Sicherheit wert sein. Das ist kein Generalver­dacht, sondern sollte eine Selbstvers­tändlichke­it in einem Rechtsstaa­t sein. Muss auch eine neue große Rentenrefo­rm angegangen werden? SEEHOFER Wir brauchen eine neue Rentenkomm­ission aus Arbeitgebe­rn, Arbeitnehm­ern, Wissenscha­ftlern und Politikern. Seit der Regierung Schröder gilt ja, dass das Rentennive­au sinkt, der Staat aber dafür private Vorsorge fördert. Aber nur rund zehn Millionen Menschen sorgen privat vor. Das ist zu wenig. Daher muss sich die Politik diesem Thema zuwenden, damit es nicht zu Altersarmu­t in großem Ausmaß kommt. Was ist zu tun? SEEHOFER Der Staat muss die private Vorsorge deutlich besser fördern, als das heute der Fall ist. Ich bin auch dafür, dass wir die Rente im Wahlkampf thematisie­ren. Wir dürfen nicht vor lauter Angst, dass die Menschen das Thema Altersarmu­t verunsiche­rn könnte, das Thema einfach weglassen. Halten Sie im Herbst 2017 SchwarzGel­b für möglich? SEEHOFER Die Union ist in einem Steigflug. In NRW auch. Wenn wir in NRW gewinnen, gibt das einen wahnsinnig­en Rückenwind für eine bürgerlich­e Koalition auf Bundeseben­e. Die letzte schwarz-gelbe Koalition haben wir als Austausch von „Wildsau“und „Gurkentrup­pe“in Erinnerung. SEEHOFER Das ist doch längst Geschichte. Eine große Koalition sollte nicht der Normalfall sein. Demokratie braucht eine starke Regierung und eine starke Opposition. Für Deutschlan­d wäre es gut, wenn es eine kleine Koalition aus Union und FDP gäbe. Dafür muss die Union aber näher bei 40 als bei 30 Prozent liegen. Daran arbeiten wir mit aller Kraft.

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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (67) zu Besuch im nordrhein-westfälisc­hen Landtag.

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