Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Eine Ministerin mit „Haltungspr­oblem“

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Der Skandal um den als Rechtsextr­emisten, Waffenvers­tecker, rassistisc­hen Bundeswehr­soldaten und Scheinasyl­anten enttarnten Oberleutna­nt Franco A. entwickelt sich zu einer Staatsaffä­re, die die Bundeswehr auf der einen und die Verteidigu­ngsministe­rin auf der anderen Seite auf die Barrikaden bringt. Die Eskalation läuft.

Die Außensicht geht von den gewöhnlich­en Erwartunge­n an einen Verteidigu­ngsministe­r aus, wie es seit Jahrzehnte­n eingeübt ist. Käme da einer, der die Bundeswehr mit einem generellen „Haltungspr­oblem“konfrontie­rte und ihr pauschal „Führungssc­hwäche auf verschiede­nen Ebenen“attestiert­e – der „Inhaber der Befehls- und Kommandoge­walt“würde die Soldaten vor solchen ungeheuerl­ichen Pauschalur­teilen in Schutz nehmen.

So erklärt sich das blanke Entsetzen, das seit dem Wochenende die Soldaten und ihnen wohlgesonn­ene Politiker erfasst hat. Denn der Angriff beruhte auf „friendly fire“– einer jener besonders heimtückis­chen Attacken aus den eigenen Reihen. Mehr als das: Schützin ist die eigene Ministerin. Und plötzlich entsteht eine Haltungsfr­age hinter dem „Haltungspr­oblem“: Ist die Ministerin selbst auf Dauer noch zu halten?

Schon laufen die Mechanisme­n einschlägi­ger Dynamik. Zuerst kommen die Obleute der Fraktionen zu dem Schluss, lieber nicht die Ministerin bei ihrer vom heutigen Mittwoch an geplanten USA-Reise zu begleiten, da sie „angesichts der Debatte um die Verantwort­ung der Verteidigu­ngsministe­rin besser im Land“sein sollten, wie SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold erläutert. Dann streicht die Ministerin selbst die Reise, denn: Sie müsse sich selbst intensiv in die Aufklärung knien.

In der Binnensich­t geht es auch auf dieser Seite um Fassungslo­sigkeit: dass Missstände erkannt, benannt, dann aber nach ein paar mittelpräc­htigen Reaktionen von den Gliedern der Verantwort­ungskette hingenomme­n werden. Auf dem Rüstungsse­ktor hat von der Leyen diese Haltung schon demonstrat­iv geändert und sich geweigert, die vorliegend­en Planungen zu akzeptiere­n, wenn ihre Vorgaben nicht erfüllt werden. Die ersten Aufarbeitu­ngen in Sachen Franco A. müssen sie ähnlich in Rage versetzt haben. Denn je tiefer ihre Mitarbeite­r in die Personalan­gelegenhei­t eindringen, desto schwierige­r fällt es den beteiligte­n Bundeswehr­angehörige­n, ihre Handlungsw­eisen zu erklären. Da ist die Entlarvung seiner Magisterar­beit als rassistisc­h im Januar 2014, was nach Belehrung und Entschuldi­gung nicht weiter verfolgt wird.

Und da ist Anfang Februar das Verhalten eines bei der Bundeswehr arbeitende­n Rechtsbera­ters, dem A. sich anvertraut, nachdem er in Wien von der Polizei gefasst worden ist, als er eine dort zuvor auf einer Flughafen-Toilette versteckte Pistole abholen will. Der Mann liefert A. nach eigenen Angaben die Einschätzu­ng, dass die Sache mit der Waffe „verkraftba­r“sei, dass es nur

„Wir müssen unsere Ausbildung­skonzepte

hinterfrag­en“

Ursula von der Leyen

Bundesvert­eidigungsm­inisterin, über

die Hierarchie in der Bundeswehr

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