Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Warum in Münster so viele und in Duisburg so wenige wählen
Die Wahlbeteiligung wird von Faktoren wie Bildungsgrad und Einkommen beeinflusst, aber auch von Bindungen an Milieus.
MÜNSTER/DUISBURG Münster ist für viele die Fahrrad- und Studentenstadt. Sie ist aber auch eine politisch aktive Stadt. Bei der Landtagswahl 2012 lag die Wahlbeteiligung im Wahlkreis Münster I bei 69,3 Prozent. zweithöchster Wert im Land. „Der Münsteraner ist wahlfleißiger als andere“, sagt Ludwig Peltzer, seit Jahren freiwilliger Wahlhelfer. „Hier gibt es viele Studenten und viele ältere Menschen, die politisch aktiv sind.“Das sei auch im Wahllokal zu spüren: „Um kurz nach acht ist der Erste da.“
Eine wissenschaftliche Theorie besagt, dass vor allem zwei Faktoren die Wahlbeteiligung beeinflussen, erklärt Martin Florack von der Uni Duisburg: Bildungsgrad und Einkommen. „Je höher diese sind, umso höher die Wahlbeteiligung.“In NRW lag das verfügbare Jahreseinkommen 2014 im Schnitt bei 21.207 Euro, in Münster leicht darüber (22.127 Euro) – trotz der vielen Studenten. Zum Vergleich: In Duisburg betrug es 16.760 Euro. Und im Wahl- kreis Duisburg III war die Wahlbeteiligung mit 45,6 Prozent 2012 am niedrigsten. Die Faktoren Bildungsgrad und Einkommen reichen aber nicht aus, um zu erklären, warum die Wahlbeteiligung so unterschiedlich ist.
Nicolas Back, CDU-Direktkandidat im Wahlkreis Duisburg III, ist im Ortsteil Meiderich zum Häuserwahlkampf unter- wegs. Er klingelt an vielen Türen, nur wenige Menschen öffnen. Dann spricht Back einen Mann auf der Straße an: Marcel Winkel. Er hört dem Politiker zu, reagiert erst verschlossen. „Politik ist nicht so meins“, sagt er. „Da wählt man, und dann machen die ja doch, was sie wollen.“Der 27-Jährige gibt zu: Inzwischen ist er Nichtwäh- ler. Norbert Kersting, Politikwissenschaftler an der Universität Münster, beschreibt das so: „Es gibt Menschen, die sagen: ’Wir können machen, was wir wollen, es ändert sich eh nichts.“Oft kämen fehlende Kenntnisse über Politik hinzu. „Diese Gruppe ist politisch-apathisch, desinteressiert, und das findet man vor allem in den ärmeren Stadtteilen.“Bei Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad und niedrigerem Einkommen sei die Systemzufriedenheit geringer, sagt auch Politikwissenschaftler Florack.
Bis vor wenigen Jahren wurden diese Faktoren aber überlagert etwa von Partei- oder Millieu-Bindungen. Das Ruhrgebiet etwa, sagt Kersting, war jahrzehntelang eine Hochburg der Sozialdemokraten – so auch in Duisburg. Im Sauerland dagegen hat man wegen der kirchlichen Bindung eher CDU gewählt. Laut Kersting fallen diese alten Bindungen aber zunehmend weg. Wichtiger werde die Orientierung an Personen und Programmen.
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