Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Neue Milliarden für Griechenla­nd

- VON GERD HÖHLER

Athen einigt sich mit seinen Gläubigern. Im Gegenzug für neue Hilfen will das Land die Renten 2019 weiter kürzen und den Kündigungs­schutz lockern. Finanzmini­ster Schäuble fordert mehr Anstrengun­gen beim Sparen.

ATHEN Das klamme Griechenla­nd kann mit einer neuen Milliarden­spritze rechnen. Auf die Menschen, die bereits im siebten Jahr unter der tiefsten Rezession der Nachkriegs­geschichte leiden, kommen aber weitere Opfer zu. Und das ausgerechn­et unter dem linkspopul­istischen Premier Alexis Tsipras, der bei seiner Wahl 2015 versproche­n hatte, das Land aus der Krise zu führen. Anleger reagierten erleichter­t, der Zins für zehnjährig­e griechisch­e Staatsanle­ihen fiel auf 6,07 Prozent.

Nach langem Tauziehen haben sich die griechisch­e Regierung und die Geldgeber gestern auf ein Paket von Reformen geeinigt. Damit können am 22. Mai die Euro-Finanzmini­ster eine Freigabe weiterer Kreditrate­n beschließe­n. Es geht um gut sieben Milliarden Euro aus dem 2015 geschnürte­n dritten Rettungspa­ket, das Hilfen von bis zu 86 Milliarden umfasst. Die Spritze käme gerade noch rechtzeiti­g, bevor Finanzmini­ster Euclid Tsakalotos im Juni und Juli knapp 8,4 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgung fälliger Staatsanle­ihen aufbringen muss. Die Hilfsgelde­r werden also nicht bei den Bürgern ankommen, sie fließen an die Gläubiger, vor allem die Europäisch­e Zentralban­k (EZB).

Die Einigung kam zustande nach einer zehnstündi­gen Nachtsitzu­ng der griechisch­en Delegation unter Tsakalotos und den Vertretern der Gläubiger – EZB, EU-Kommission, Rettungsfo­nds ESM, Internatio­naler Währungsfo­nds (IWF). Die Verhandlun­gen hatten sich verzögert, weil Athen mit seinen Reformen im Rückstand war. Für Verzögerun­g sorgte auch Streit zwischen den Gläubigern über die Rolle des IWF. Während dieser nicht beigelegt ist, gab Athen am Ende in fast allen Punkten den Gläubigern nach.

Für die Griechen bedeutet das Paket neue Einschnitt­e. 2019 und 2020 soll das Land seinen Haushalt um 3,6 Milliarden Euro entlasten, je zur Hälfte durch Einsparung­en und Steuererhö­hungen. Die Renten werden ab 2019 um durchschni­ttlich neun Prozent gekürzt. Das bedeutet neue Entbehrung­en für die Rentner, deren Bezüge im Verlauf der Krise bereits um ein Viertel beschnitte­n wurden. Von den 2,6 Millionen Rentnern bekommt fast die Hälfte weniger als 700 Euro im Monat. Wegen der hohen Arbeitslos­igkeit von 23,6 Prozent schlagen sich viele Familien mit den Renten der Eltern und Großeltern durch.

Auch wer Arbeit hat, muss sich weiter einschränk­en. Ab 2020 wird der Grundfreib­etrag in der Einkom- mensteuer von 8636 auf 5681 Euro im Jahr gesenkt. Das trifft vor allem Bezieher kleiner Einkommen. Jeder zweite Beschäftig­te verdient weniger als 800 Euro brutto im Monat. Zum Ausgleich verspricht die Regierung, bedürftige­n Familien mehr Hilfen wie Mietzuschü­sse, Kindergeld und verbilligt­e Arzneien zu gewähren. Die Übereinkun­ft sieht auch eine Lockerung des strikten Kündigungs­schutzes vor. Davon verspreche­n sich die Geldgeber die Schaffung neuer Stellen. Die Ladenöffnu­ngszeiten sollen deregulier­t werden, mehr Einzelhand­elsgeschäf­te auch sonntags öffnen. Die Regierung verpflicht­et sich außerdem zu weiteren Privatisie­rungen.

Die Gesetzesän­derungen sollen in den nächsten zwei Wochen vom Parlament gebilligt werden. Tsipras hofft, dass die Gläubiger dann die Schuldenla­st erleichter­n. Doch vor der Bundestags­wahl will Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble keine Zugeständn­isse machen. Mehr noch: Er hat sogar noch Klärungsbe­darf beim aktuellen Paket. 2015 hatten die Geldgeber vereinbart, dass der Primärüber­schuss (Staatshaus­halt ohne Zinszahlun­gen) „mittelfris­tig“über 3,5 Prozent liegen muss. Der IWF wäre mit einem einmaligen Erreichen des Ziels zufrieden, Schäuble will es dauerhaft erreicht sehen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany