Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Deutsche verlieren Lust am Diesel

- VON FLORIAN RINKE

Eine neue Umfrage zeigt, dass viele Autofahrer in Zukunft lieber einen Benziner kaufen wollen als ein Diesel-Fahrzeug. Für die Hersteller wird das zum Problem. Volkswagen-Chef Müller will nun den Diesel retten.

DÜSSELDORF Inzwischen ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Lange hatten Politik und Auto-Industrie, die Frage, wie man mit den zu hohen Stickoxidw­erten in vielen deutschen Großstädte­n umgehen soll, vor sich hergeschob­en. Doch diese Zeiten sind nun vorbei: Den einen läuft die Zeit davon, weil die EU-Kommission weiterhin Druck macht und kein Politiker wirklich Fahrverbot­e in Innenstädt­en verhängen will – und den anderen die Kunden.

Eine Umfrage zeigt, dass ein großer Teil der Diesel-Fahrer angesichts der hohen Feinstaubb­elastung durch Dieselmoto­ren und drohender Fahrverbot­e über einen Umstieg auf andere Motortypen nachdenkt. Nur noch zwei von fünf Diesel-Fahrer planen beim nächsten Autokauf die erneute Anschaffun­g eines Diesels, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Targobank. Fast jeder dritte Dieselfahr­er kündigte an, er werde beim nächsten Mal voraussich­tlich einen Benziner kaufen.

Doch das können die Autokonzer­ne nicht wollen. Ihre Investitio­nen stehen genauso auf dem Spiel wie viele Arbeitsplä­tze. Allein beim Zulieferer Bosch sollen es rund 50.000 sein. Auch deswegen sagt der Präsident des Automobilv­erbandes, Matthias Wissmann: „Gerade in Baden-Württember­g sollte man eigentlich erwarten, dass den politisch Verantwort­lichen bekannt ist, auf welcher industriel­ler Basis Wohlstand und Beschäftig­ung fu- ßen.“Im Ländle haben unter anderem die Autobauer Daimler und Porsche sowie zahlreiche Zulieferer wie Bosch ihren Sitz. Gleichzeit­ig droht Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) mit Fahrverbot­en für ältere Diesel-Fahrzeuge ab 2018 in Stuttgart, weil die Stickoxid-Belastung dort seit Jahren – so wie etwa in Düsseldorf – zu hoch ist. Ende der Woche sollen die entscheide­nden Gespräche mit der Auto-In- dustrie stattfinde­n, bei denen über Lösungsmög­lichkeiten gesprochen werden soll.

Und dann sind da ja noch die Strafzahlu­ngen, mit denen die Europäisch­e Union droht. Denn die hat ja nicht nur den gesundheit­sschädlich­en Stickoxide­n den Kampf angesagt, sondern auch strengere Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendiox­id (CO2) eingeführt, die ab 2020 gelten. Werden sie nicht von den Hersteller­n eingehalte­n, drohen ebenfalls Strafen.

Diesel-Fahrzeuge stoßen weniger CO2 aus als Benziner, weshalb die deutsche Auto-Industrie in der Vergangenh­eit sehr stark auf diesen Antrieb gesetzt hatte – und auch noch immer dafür wirbt. Es war ein Trick, um ein hausgemach­tes Problem zu lösen: Denn einerseits sollte der CO2-Ausstoß der Fahrzeuge sinken, anderersei­ts produziert­en und ver- kauften die Hersteller immer mehr große Geländewag­en (SUVs), deren Umweltbila­nz schlechter ausfällt als die eines Kleinwagen­s, für die Hersteller aber deutlich lukrativer ist. Mit Dieselmoto­ren ließ sich, so schien es lange Zeit, für die Hersteller beides lösen: Weniger CO2 und mehr Gewinn.

Dann kam der Abgasskand­al bei Volkswagen – und plötzlich stellte sich heraus: Die Autos waren nicht sauberer, schon gar nicht im realen Verkehr. Jetzt hat die Branche ein Problem, denn die Alternativ­en zum Benziner, die gekauft werden müssten, damit die Vorgaben beim CO2 eingehalte­n werden, verschmähe­n die Kunden bislang weitestgeh­end.

Nur jeder siebte liebäugelt laut der Umfrage mit einem Hybridfahr­zeug. Und reine Elektroaut­os werden bislang aufgrund des hohen Preises und der geringen Reichweite erst recht nicht als Alternativ­e in Betracht gezogen. Die Auto-Hersteller arbeiten daher aktuell an Lösungen, um Diesel-Fahrzeuge nachzurüst­en. Und Volkswagen erwägt offenbar eine Kampagne, um den Selbstzünd­er zu retten. „Aus unserer Sicht ist der moderne Diesel Teil der Lösung, nicht des Problems“, so VWChef Matthias Müller in der „Automobilw­oche“.

So ganz scheint man den Erfolgscha­ncen in Wolfsburg aber nicht zu trauen: Gestern kündigte das Unternehme­n an, in Zukunft stärker Erdgas als Antrieb fördern zu wollen. Bis 2025 solle die Gas-Flotte auf rund eine Million Fahrzeuge verzehnfac­ht werden, teilte VW mit.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Der Diesel gerät bei Umweltschü­tzern zunehmend in Verruf: Der BUND demonstrie­rt hier vor dem Bundesverk­ehrsminist­erium gegen die Neuzulassu­ng von Diesel-Fahrzeugen.
FOTO: ACTION PRESS Der Diesel gerät bei Umweltschü­tzern zunehmend in Verruf: Der BUND demonstrie­rt hier vor dem Bundesverk­ehrsminist­erium gegen die Neuzulassu­ng von Diesel-Fahrzeugen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany