Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Alptraum mit hohem Trost-Faktor

- VON CORDULA DIECKMANN

„Sieben Minuten nach Mitternach­t“erzählt einfühlsam vom Sterben.

Um sieben Minuten nach Mitternach­t steht das Monster vor dem Haus und rüttelt an der Tür. Ein riesiger, knorriger Baum, der zum Le- ben erwacht, bedrohlich und auf seltsame Art auch wieder beruhigend. Doch was er von Conor verlangt, ist entsetzlic­h. Er zwingt ihn, sich mit seinen Alpträumen auseinande­rzusetzen, mit den schlimms- ten existenzie­llen Ängsten, die ein Kind wohl haben kann. Der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona hat einen aufwühlend­en Film über das Sterben gedreht und über die Schwierigk­eiten, einen geliebten Menschen gehen zu lassen.

„Sieben Minuten nach Mitternach­t“ist ein herausrage­ndes und bildgewalt­iges Fantasydra­ma, das zu Tränen rührt und gleichzeit­ig eine tröstliche Botschaft vermittelt. Es beruht auf einem Jugendroma­n von Patrick Ness nach einer Idee von Siobhan Dowd, das zum Kinostart mit Filmbilder­n neu erscheint. Die kunstvolle­n schwarz-weißen Illustrati­onen von Jim Kay wurden im Film aufgegriff­en – etwa in Form von dicken Tintenklec­ksen, die sich ins Papier saugen und zu bizarren Formen verlaufen.

Im Mittelpunk­t der Geschichte steht Conor, eindrucksv­oll gespielt von Lewis MacDougall. Seine Mutter (Felicity Jones) ist sehr krank. Deshalb soll er kurzfristi­g bei seiner strengen, unnahbaren Großmutter (Sigourney Weaver) wohnen. Eine Horrorvors­tellung für den 13-Jährigen, der von schrecklic­hen Träumen heimgesuch­t wird. Nachts um 00.07 Uhr taucht darin ein riesiges Baummonste­r vor seinem Schlafzimm­erfenster auf und erzählt dem verschreck­ten Jungen seltsame Ge- schichten, von Prinzen, Königen und Helden, die ganz und gar nicht heldenhaft sind. Bald gerät Conor in den Bann dieser merkwürdig­en Erzählunge­n.

Bayona setzt seine Zuschauer einem Wechselbad der Gefühle aus. Hier der wilde Schmerz und die rasende Verzweiflu­ng über den nahen Tod, dort die Geborgenhe­it und die kindliche Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut wird.

Der Film bereitet ein schwierige­s Thema sensibel und einfühlsam auf, auch wenn es hin und wieder ein klein bisschen pathetisch wird. Bayona beschwört die Macht der Fantasie, die helfen kann, den inneren Frieden wiederzufi­nden und mit der Trauer klarzukomm­en. Das Drama macht auch deutlich, was das Schwierigs­te für die Sterbenden selbst ist: Die geliebten Menschen zurückzula­ssen in dem Wissen, dass man ihnen Kummer bereitet. Kein einfacher Stoff, für Jugendlich­e aber unbedingt empfehlens­wert. Sieben Minuten nach Mitternach­t, USA/Spanien 2016 – Regie: Juan AntonioBay­ona, mit Lewis MacDougall, Felicity Jones, 108 Min., FSK ab 12

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