Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

NRW jagt Schweizer Finanzspit­zel

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

60.000 Euro soll ein Beamter vom Schweizer Geheimdien­st erhalten haben, damit er die NRW-Steuerfahn­dung ausforscht. Jetzt werden Haftbefehl­e gegen Schweizer Hintermänn­er gefordert.

DÜSSELDORF/BERLIN Die Spionageaf­färe um einen Spitzelang­riff des Schweizer Geheimdien­stes gegen die NRW-Steuerfahn­dung zieht weitere Kreise. Der Geheimdien­st soll einen bisher nicht identifizi­erten Spitzel im Geschäftsb­ereich der Finanzverw­altung NRW platziert haben. Dies ergibt sich aus dem unserer Redaktion vorliegend­en Haftbefehl gegen den Schweizer Daniel M., den der Generalbun­desanwalt vor einer Woche wegen Spionageve­rdachts in Frankfurt verhaften ließ. Er soll im Auftrag des eidgenössi­schen Geheimdien­stes Informatio­nen darüber gesammelt haben, wie die NRW-Steuerfahn­dung Daten-CDs von Schweizer Banken erwirbt, um so Schwarzgel­d zu finden.

Laut Haftbefehl sollte Daniel M. 90.000 Euro für das Anwerben des Verräters erhalten, wovon er bereits 60.000 Euro erhalten haben soll. 40.000 Euro davon seien „als Motivation­szahlung“weitergere­icht worden, heißt es im Haftbefehl – offenbar Bestechung­sgeld.

Einem bericht der „Bild“-Zeitung zufolge wurde zudem das Auto eines Düsseldorf­er Steuerfahn­ders während einer Besprechun­g im Finanzamt Wuppertal aufgebroch­en. Es seien Notizen zu einer angekaufte­n Schweizer Steuer-CD gestohlen worden. Das Düsseldorf­er Finanzmini­sterium bestätigte zwar den Diebstahl einer Unterlage, äußerte sich aber nicht dazu, was sie enthielt.

Politik und Experten reagierten heftig auf die Enthüllung­en. NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD) betonte, NRW lasse sich beim Einsatz für Steuergere­chtigkeit nicht einschücht­ern: „Wenn Spione Informante­n aus der Finanzverw­altung anheuern, um die NRW-Steuerfahn­der bei ihrer Arbeit zu bespitzeln und denen in die Hände zu spielen, die Milliarden­geschäfte auf Kosten der Allgemeinh­eit machen, erreicht der Skandal eine neue Dimension“, unterstric­h Walter-Borjans.

Die deutsche Justiz solle nun Haftbefehl­e gegen Mitarbeite­r des Schweizer Geheimdien­stes ausstellen, forderte Thomas Eigenthale­r, Bundesvors­itzender der deutschen Steuergewe­rkschaft: „Der Spieß muss umgedreht werden. 2012 hat die Schweiz gegen Steuerbeam­te von uns Haftbefehl­e ausgestell­t, weil sie Da- ten-CDs kauften. Wenn wir nun den Verdacht haben, dass Mitarbeite­r des Schweizer Geheimdien­stes Geld dafür gaben, deutsche Steuerbeam­te zu bestechen, dann wäre dies Anstiftung zu einer Straftat und Unterstütz­ung einer Straftat.“

Auch Bundespoli­tiker sind empört. „Wenn sich herausstel­lt, dass die Schweiz deutsche Finanzverw­altungen ausspionie­rt, wäre das inakzeptab­el“, sagte Bundesjust­izminister Hei- ko Maas (SPD). Er ergänzt: „Die Schweiz sollte ihr Augenmerk auf diejenigen legen, die Milliarden­geschäfte auf Kosten der Allgemeinh­eit machen, und nicht auf die Finanzverw­altungen in NRW, die seit Jahren alles tut, um Steuerhint­erziehunge­n wirksam zu bekämpfen.“

Finanzpoli­tiker forderten politische Konsequenz­en, sollten sich die Vorwürfe erhärten. „Wenn die Schweiz ihr Schwarzgel­dgeschäfts­modell mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln verteidige­n will, würde das das bilaterale Verhältnis belasten“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Carsten Schneider. Der CSU-Finanzpoli­tiker Hans Michelbach erklärte: „ Wenn da wirklich Schweizer Stellen involviert sind, ist das ein unfreundli­cher Akt gegenüber Deutschlan­d.“Steuergewe­rkschafter Eigenthale­r schränkte ein, es könne sein, dass Daniel M. zwar Geld für die Bestechung eines NRW-Beamten erhalten habe, damit sei aber nicht sicher, ob er es wirklich getan habe: „Vielleicht hat Daniel M. das Geld eingesteck­t. Falls aber die Vorwürfe stimmen, wäre unsere Verärgerun­g groß. Deutsche Steuerfahn­der mögen keine Verräter.“Leitartike­l

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