Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Verhungert­es Kleinkind: Bewährungs­strafe für Betreuerin

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MEDEBACH (dpa) „Hätten Sie die Kinder angeschaut, wäre der Tod nicht eingetrete­n.“So hatte es Amtsrichte­r Ralf Fischer der Mitarbeite­rin des Jugendamte­s im Sauerland im Laufe des Prozesses klargemach­t. Jetzt bekam die 29-Jährige eine Bewährungs­strafe für die Mitschuld am Tod des kleinen Anakin und am Hungerleid­en seiner noch kleineren Schwester. Sie war in letzter Minute von Ärzten gerettet wor- den. Die Betreuerin des Jugendamte­s nahm das Urteil von sechs Monaten auf Bewährung bewegungsl­os hin. Damals, als sie vom Tod Anakins gehört hatte, habe sie einen Schock erlitten, hatte sie vor Gericht erzählt. Sie hatte die Familie des Kleinen zu betreuen und auf das Wohl der Kinder zu achten. Dazu hatte schon das Jugendamt am früheren Wohnort der Familie im sächsische­n Vogtland den Kollegen am neuen Wohnort eindringli­ch geraten.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Betreuerin aber nur oberflächl­ich kontrollie­rt. Der Junge wurde nur zwei Jahre alt. Am Ende wog er noch ganze 6,5 Kilogramm. Drei Wochen, bevor Ärzte die beiden Kinder zu Gesicht bekamen, war die Mitarbeite­rin des Jugendamte­s bei der Mutter von neun Kindern gewesen, offiziell wegen Auffälligk­eiten des Äl- testen in der Schule. Bemerkt hat sie bei dem angekleide­ten Mädchen nichts, wie sie vor Gericht schilderte. Nach Anakin sah sie gar nicht, er schlief bei dem Besuch.

„Die Kinder zu entkleiden, kann nicht ernsthaft erwogen werden“, sagte ihr Anwalt in seinem Plädoyer. Er sieht Grenzen für die Arbeit der Jugendämte­r, zumal sich die Familie abgeschott­et habe. Dass Familien genau kontrollie­rt werden, sei Wunschdenk­en. Es müssten neue Strategien entwickelt werden.

Dass solche Betreuunge­n schwierig seien, hatte schon der Chef des Jugendamte­s als Zeuge betont. Die Jugendämte­r müssten erst einmal einen Fuß in die Tür bekommen und Vertrauen aufbauen. Dass der Jugendamts­leiter das Vorgehen in solchen Fällen prinzipiel­l nicht ändern wolle, hält das Gericht für gefährlich.

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