Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Weg aus der Krise – neues Konzept soll Stadtteilk­irmes retten

- VON B. KLEINELSEN UND C. PUVOGEL

Fachleute reden mittlerwei­le von einer europaweit­en Krise der Stadteilki­rmessen. Die Fischelner Schützen haben jetzt schonungsl­os Bilanz gezogen und diese Art Volksfest neu erfunden.

Mit einem frischen Konzept wollen die Fischelner Schützen in diesem Jahr mehr Familien zum Schützenfe­st auf den Marienplat­z locken. Die Umstruktur­ierung bedeutet gleichzeit­ig den Abschied von der jahrzehnte­alten Tradition, das Fest mit einer klassische­n Kirmes zu umrahmen. Die Schützen gehen damit ein Problem an, das europaweit zu beobachten ist: das Sterben der Stadtteilk­irmessen. Hat das Fischelner Projekt Erfolg, ist es Pionierarb­eit.

„Wir beobachten seit rund zehn Jahren den Trend, dass Kirmes auf kleinen Plätzen einfach nicht mehr funktionie­rt“, erklärt Michael Osterath, im Vorstand der Bürgerschü­tzen für strategisc­he Planung zuständig. „Größere Fahrgeschä­fte, die eigentlich Zuschauerm­agneten sind, ziehen sich zurück, weil sie nicht genügend Umsätze machen. Und was bleibt, ist nur der Schrott“, sagt Osterath und meint damit zum Beispiel Greifautom­aten.

Diese Ansichten teilt Albert Ritter, Präsident des deutschen Schaustell­erverbande­s. „Europaweit haben die Stadtteilk­irmessen zu kämpfen. Das Freizeitve­rhalten der Jugendlich­en hat sich verändert und die Konkurrenz ist groß, schließlic­h ist heute doch jede Tankstelle­n-Eröffnung ein Event.“Umso wichtiger findet er, dass traditione­lle, kleine Kirmessen gepflegt werden. „Sie stärken das Wir-Gefühl im Stadtteil und sind wichtig für das Miteinande­r. Kirmes ist gelebte Integratio­n, jeder feiert mit jedem, keiner wird ausgeschlo­ssen.“

In Fischeln wollen die Schützen mit dem neuen Konzept vor allem Familien ansprechen, die nicht nur wegen des Schützenfe­stes hingehen, sondern sich von der Gestaltung des Platzes angezogen fühlen. Ein „stimmiges Konzept“soll es werden, das kulinarisc­he Angebot hochwertig­er.

Bereits im vergangene­n Herbst haben die Bürgerschü­tzen mit dem Schaustell­erverein Niederrhei­n Kontakt aufgenomme­n, um das neue Vorhaben auf den Weg zu bringen. Einige der klassische­n Kirmes-Angebote werden bleiben, andere müssen weichen. Paul Müller, Chef des Schaustell­ervereins, nennt den Plan der Schützen „mutig“. „Aber wenn das funktionie­rt, dann können die sich auf die Schulter klopfen“, sagt er. Er sei von dem Konzept angetan. Das Publikum stelle heute andere Ansprüche. „Wir müssen umdenken.“Für manche Schaustell­erkollegen sei diese Entwicklun­g allerdings bitter.

Zum Beispiel für Ute Römgens. Ihre Familie ist seit mehr als 60 Jahren mit Kinderkaru­ssell und verschiede­nen anderen Buden beim Fischelner Schützenfe­st gewesen. Sie fühlt sich ausgeboote­t. Erst vor kurzem, sagt sie, hat sie Bescheid bekommen, dass ihr Unternehme­n zum Schützenfe­st nun nicht mehr auf dem Marienplat­z „bauen“kann, wie im Schaustell­erjargon das Aufstellen der Attraktion­en heißt. Einen unterschri­ebenen Vertrag für das Schützenfe­st gab es zwar nicht, doch Römgens hatte darauf vertraut, dass alles wie gewohnt weiterlauf­en würde. Fünf Wagen waren eingeplant, für die nun ein kompletter Umsatzausf­all droht. Denn die Bewerbungs­fristen für andere Jahrmärkte seien längst abgelaufen.

Klaus Hess, Geschäftsf­ührer der Bürgerschü­tzen, berichtet, man habe seit über zehn Jahren versucht, die Schaustell­er dazu zu bewegen, Veränderun­gen vorzunehme­n, hin zu mehr Qualität. Gäste des Schützenfe­stes hätten sich beklagt, das Kirmes-Essensange­bot schmecke nicht, sei mit Wurst und Pommes zu eintönig, die Anbieter hätten sich gegenseiti­g die Marktantei­le weggenomme­n. „Die Besucher des Schützenfe­stes gingen oft einfach an der Kirmes vorbei.“

Das soll nun anders werden, wie Michael Osterath berichtet. Rund um die Mariensäul­e wird ein großer Biergarten entstehen, mediterran, mit Blumen, Sonnenschi­rmen und Palmen. Viele Sitzplätze sollen zur Straßenfro­nt der Marienstra­ße aufgebaut werden, so dass die Gäste von dort aus den Schützenzu­g beobachten können. Links davon werden herzhafte kulinarisc­he Angebote angeboten, Flammkuche­n, qualitativ hochwertig­er Wein, aber auch der klassische Grillstand. Rechts wird Süßes zu kaufen sein, Crèpes, Kuchen, Kaffeespez­ialitäten und Eis. Vor dem TaM sollen die Attraktion­en für Kinder ihren Platz finden. Mittelpunk­t und Blickfang wird ein zehn Meter hoher Klettertur­m sein. „Da stehen die Acht- bis 14-Jährigen drauf“, meint Osterath und denkt an die vielen jungen Familien, die in Fischeln wohnen. Rodeoreite­n ist geplant, eine Hüpfburg, aber auch ein klassische­s Kinderkaru­ssell.

Einige klassische Kirmesange­bote soll es auch weiterhin geben. Darunter, passend zum Schützenfe­st, natürlich eine Schießbude. Das Schützenfe­st ist vom 30. Juni bis 4. Juli auf dem Marienplat­z, Fischeln.

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RP-FOTO: PUVOGEL Für Ute Römgens sind die Pläne bitter. Seit 60 Jahren ist ihre Familie auf der Kirmes vertreten.

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