Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eine Schicksalsfrage bringt Macron den Sieg
Noch nie haben sich bei einer französischen Präsidentenwahl zwei Kandidaten gegenübergestanden, die derartig gegensätzliche Visionen für ihr Land vertraten: Eine liberale Gesellschaft und eine offene Ökonomie sowie ein klares Bekenntnis zur EU bei Emmanuel Macron. Dagegen Marine Le Pens Entwurf eines autoritären Nationalstaats mit dirigistischer Wirtschaftspolitik, der sich hinter seinen Grenzen verschanzt, Ausländer hinausdrängt und sich aus der EU verabschiedet. Die Franzosen standen gestern also vor einer radikalen Wahl. Entschieden hat sie sich wohl an einer Schicksalsfrage: Europa. Zwar beklagt sich die Hälfte der Franzosen in Umfragen über die EU, die in Frankreich noch viel stärker als in Deutschland für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht wird. Aber insgeheim wissen unsere Nachbarn eben doch, was sie an der Union haben und auch am vielgescholtenen Euro. Dass Le Pen die Rückkehr zum Franc forderte, war ihr größtes Handicap in diesem Wahlkampf. Am Ende versuchte sie noch, die Wähler mit einem wirren Konzept zu überzeugen, wonach Euro und Franc nebeneinander existieren sollten, und blamierte sich gründlich.
Trotzdem, und das ist die schlechte Nachricht, haben immerhin elf Millionen Franzosen für Le Pen gestimmt. Und längst nicht alle, die gestern Macron gewählt haben, teilen seine positive Haltung zur EU, zur Globalisierung und zu offenen Grenzen. Die Erleichterung darüber, dass uns Le Pen im Elysée-Palast erspart geblieben ist, sollte uns daher nicht dazu verleiten, den Wahlsieg Macrons in ein flammendes Votum der Franzosen für Europa umzudeuten oder gar in ein StoppSignal für populistische Bewegungen in Europa. Man hat bei dieser Wahl sehen können, dass inzwischen fast die Hälfte der Franzosen bereit ist, für links- oder rechtsextreme Kandidaten zu stimmen, die eine radikale Abkehr vom europäischen Projekt predigen.
Für Emmanuel Macron sind das schwierige Voraussetzungen, um die nötigen Reformen durchzusetzen. Er hat jetzt fünf Jahre, um Frankreich wieder auf Kurs zu bringen und der verunsicherten Nation ihr Selbstvertrauen zurückzugeben. Wenn auch Macron wie seine Vorgänger im Elysée scheitert, die Großes versprochen und nur Geringes geleistet haben, dann droht er als der Präsident in die Geschichte einzugehen, der den Weg frei gemacht hat für die Machtübernahme der Extremisten. Gestern hat Macron Le Pen verhindert. Das ist wichtig, kann aber nur der Anfang sein. BERICHT KLARER SIEG FÜR EMMANUEL MACRON, TITELSEITE
Im Norden was Neues
Das Ergebnis aus Kiel kennt drei Gewinner und einen großen Verlierer. Die Nord-CDU stand mit einem sympathischen, auf Bildung und Sicherheit setzenden Kandidaten für Aufbruch. Die Grünen konnten ihren Negativtrend im Bund durch einen pragmatischen Kandidaten kompensieren. Und die FDP ist mit Kubicki ohnehin eine eigene Marke. Die SPD dagegen muss anerkennen, dass das Gefühl der moralischen Überlegenheit, wie es das Duo Stegner/Albig zelebrierte, allein keine Stimmen bringt. Innere Sicherheit, Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, das zählt. Schön, dass die SPD keinen Asylbewerber nach Afghanistan abschieben will. Aber was hat das mit der Zukunft des Landes zu tun? Gelb und Grün bestimmen jetzt den Ministerpräsidenten, kaum vorstellbar, dass der Wahlverlierer SPD an der Macht bleibt.
Für den Bund gilt: Der Schulz-Zug rumpelt, der Merkel-Express muss offenbar doch noch nicht in die Werkstatt. Schulz hat seine Partei reanimiert, aber ein Wohlfühl-Parteichef allein reicht nicht. Ergebnisse zählen. Auch die Bilanz einer Landesregierung. Für NRW bedeutet das: Alles ist offen. BERICHT CDU DEKLASSIERT MINISTERPRÄSIDENT . . ., TITELSEITE