Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eiszeit zwischen Watzke und Tuchel
Der Vorstandsboss von Borussia Dortmund äußert öffentliche Kritik am Trainer. Der Zeitpunkt wirft Fragen auf. Mehr denn je ist ungewiss, ob Thomas Tuchel in der kommenden Saison noch auf der BVB-Bank sitzt.
DORTMUND (sid) Thomas Tuchel war schon verschwunden, als seine Spieler ihren Champions-LeagueSieg der anderen Art mit einer wilden Schubserei und einer Wasserschlacht feierten. Kurz, aber euphorisch hatte auch der Trainer von Borussia Dortmund das 2:1 (1:0) gegen 1899 Hoffenheim bejubelt – doch er wusste: Ob aller sportlicher Erfolg Kitt genug für den Riss zwischen ihm und Hans-Joachim Watzke sein kann, ist nach einem bemerkenswerten Wochenende äußerst fraglich.
Sichtlich verärgert nahm Tuchel zur Kenntnis, dass sein Chef am Morgen dieses wichtigen Millionenspiels ein brisantes Interview platziert hatte. Der Trainer kam darin überhaupt nicht gut weg, Watzke deutete im Zusammenhang mit der Terminierung des Champions-League-Nachholspiels gegen Monaco nach dem Anschlag auf die Mannschaft einen Vertrauensbruch an.
„Ein großes Thema für einen großen Tag“, sagte Tuchel vor dem Anpfiff zynisch. „Ich verbiete mir, darauf einzugehen oder auch nur darüber nachzudenken, dafür Energie zu verwenden. Wir dürfen uns nicht ablenken lassen.“Das, schob er bissig nach, „ist schwieriger geworden“.
Watzke hatte zur Unzeit einen „klaren Dissens“offenbart. „Teilweise“habe ihn die Kritik des Trainers irritiert. Auf die Frage, ob Tuchel als feinfühliger Krisenmanager auch bei Watzke gepunktet habe, gab dieser eine eiskalte Antwort: „Ich bewerte alles rund um das Attentat auch vor dem Hintergrund dessen, was wir intern vertraulich miteinander besprochen haben und was möglich war.“
Tuchel und einige Spieler hatten sich von Watzke gedrängt gefühlt, am Tag nach dem Anschlag zu spielen. Watzke wirft Tuchel vor, seine diesbezügliche Ablehnung erst nach dem Spiel artikuliert zu haben.
Tuchels Zukunft in Dortmund war ohnehin ungewiss. Bis 2018 läuft sein Vertrag, im Sommer soll über seine Zukunft entschieden werden. Zurückhaltend gewertet: dass Tuchel, der durch sein Verhalten in schweren Stunden bei vielen Fans enorm an Achtung gewonnen hat, in Dortmund bleibt, ist un-
Watzke hatte einen „klaren Dissens“zwischen ihm und Tuchel offenbart
Tuchels Zukunft in Dortmund war ohnehin ungewiss. Bis 2018 läuft
sein Vertrag.
wahrscheinlicher geworden. Trotz des Einzugs ins Pokalfinale, trotz der Eroberung des dritten Platzes, der direkt in die Champions League führt. Es gehe, sagte Watzke, eben auch „um Dinge wie Strategie, Kommunikation, Vertrauen ...“
Sportlich ist Tuchel nichts vorzuwerfen. Sein Team geht mit zwei Punkten Vorsprung auf Hoffenheim in die letzten Spiele – allerdings auch, weil Schiedsrichter Felix Brych (München) einen schwarzen Tag erwischte. Marco Reus stand beim 1:0 (4.) im Abseits, der Handelfmeter, den Pierre-Emerick Aubameyang verschoss (14.), war unberechtigt. Hoffenheims Sandro Wagner hätte einen Elfmeter bekommen müssen, als ihm Sokratis fast das Trikot auszog (40.). Der (berechtigte) Foulelfmeter zum 1:2 durch Andrej Kramaric (86.) war kein Trost.
Tuchel sagt: „Wir wollen noch dreimal gewinnen.“Das hieße: Er würde auf dem Borsigplatz als Pokalsieger gefeiert. Und Watzke hätte eine schwierige Entscheidung zu treffen.