Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Tänzer in Hieronymus Boschs surrealem „Garten der Lüste“
Das Festival Tanz NRW startete in der Fabrik Heeder mit einem assoziativen Stück über das Paradies.
Utopien auf Erden – Gibt es das irdische Paradies? Wie sieht der Garten Eden des 21. Jahrhunderts aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich „Paradisus?“, ein Perfomancestück der Kölner Tanzcompagnie Emanuele Soavi incompany und des Analogtheaters Köln. Zwei Tänzer und ein Schauspieler tauchen in das surreale Universum des niederländischen Malers Hieronymus Bosch ein und lassen sich von dem bilderreichen Gemälde „Der Garten der Lüste“inspirieren. Sie entwerfen ihr persönliches Paradies, in dem sich Adam und Eva in Personalunion vereinigen und Geschlechterunterschiede aufgehoben scheinen.
Die Bühne der Fabrik Heeder ist in graue Nebelschwaden gehüllt, Schauspieler Daniel Schüßler und die Tänzer Emanuele Soavi und Federico Casadei, sitzen auf dem mit Erde versehenen Tanzboden. Aus dem Off ist dumpfes Stimmengewirr zu hören – kein Baum, kein Grün – noch deutet nichts auf einen paradiesischen Ort hin. Schüßler schippt Erde in zwei Eimer, während sich die Tänzer, Rücken an Rücken, aus einem gelben Kapuzenpullover, der sie aneinanderbindet, zu befreien versuchen. Sie räkeln Arme und Beine, drehen ihre Köpfe zueinander, berühren Haare, Arme und Beine des anderen und ziehen in entgegengesetzte Richtungen, so als wollten sie sich von einer aufgestülpten Rolle befreien. Schüßler kommt auf die Tänzer zu und kippt einen Eimer roter Äpfel über ihren Köpfen aus. Prüfende Blicke werden getauscht und schon beginnt das assoziative Bewegungsspiel der Performer, die sich allmählich aus dem Sweater befreien. Schüßler beißt schließlich in einen Apfel, hält die Luft an und prustet laut ins Mikrofon. Auch Soavi und Casadei kosten die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis, und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Soavi und Schüßler ging es nicht darum, das symbolreiche Triptychon von Bosch zum Leben zu erwecken. „Paradisus?“erzählt collagenhaft wie sich die drei Künstler ihre eigene Vision vom Paradies machen. Es sind kontrastreiche, assoziative Szenen ohne roten Faden. Das Paradies ist an diesem Abend kein Ort der Harmonie, in dem sich alle gut verstehen. Geschlechterunterschiede und Unterschiede zwischen Mensch und Tier scheinen aufgehoben: Casadei durchläuft tänzerisch beeindruckend die Metamorphose vom Menschen zur Schlange, und Schüßler ist Adam und Eva in einer Person.
Bedeutet das Paradies auf Erden, das bestmögliche Leben zu leben? „Wir“, sagt Schüßler, und meint damit auch sich als Performer und seine Tänzerkollegen, „suchen immer nach Vollendung und Perfektion, kann das im 21. Jahrhundert noch unser Ziel sein?“Das atmosphärisch und tänzerisch beeindruckende Stück regt an, über eigene Vorstellungen vom Paradies auf Erden nachzudenken.