Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tänzer in Hieronymus Boschs surrealem „Garten der Lüste“

- VON ISABEL MANKAS-FUEST

Das Festival Tanz NRW startete in der Fabrik Heeder mit einem assoziativ­en Stück über das Paradies.

Utopien auf Erden – Gibt es das irdische Paradies? Wie sieht der Garten Eden des 21. Jahrhunder­ts aus? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich „Paradisus?“, ein Perfomance­stück der Kölner Tanzcompag­nie Emanuele Soavi incompany und des Analogthea­ters Köln. Zwei Tänzer und ein Schauspiel­er tauchen in das surreale Universum des niederländ­ischen Malers Hieronymus Bosch ein und lassen sich von dem bilderreic­hen Gemälde „Der Garten der Lüste“inspiriere­n. Sie entwerfen ihr persönlich­es Paradies, in dem sich Adam und Eva in Personalun­ion vereinigen und Geschlecht­eruntersch­iede aufgehoben scheinen.

Die Bühne der Fabrik Heeder ist in graue Nebelschwa­den gehüllt, Schauspiel­er Daniel Schüßler und die Tänzer Emanuele Soavi und Federico Casadei, sitzen auf dem mit Erde versehenen Tanzboden. Aus dem Off ist dumpfes Stimmengew­irr zu hören – kein Baum, kein Grün – noch deutet nichts auf einen paradiesis­chen Ort hin. Schüßler schippt Erde in zwei Eimer, während sich die Tänzer, Rücken an Rücken, aus einem gelben Kapuzenpul­lover, der sie aneinander­bindet, zu befreien versuchen. Sie räkeln Arme und Beine, drehen ihre Köpfe zueinander, berühren Haare, Arme und Beine des anderen und ziehen in entgegenge­setzte Richtungen, so als wollten sie sich von einer aufgestülp­ten Rolle befreien. Schüßler kommt auf die Tänzer zu und kippt einen Eimer roter Äpfel über ihren Köpfen aus. Prüfende Blicke werden getauscht und schon beginnt das assoziativ­e Bewegungss­piel der Performer, die sich allmählich aus dem Sweater befreien. Schüßler beißt schließlic­h in einen Apfel, hält die Luft an und prustet laut ins Mikrofon. Auch Soavi und Casadei kosten die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis, und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Soavi und Schüßler ging es nicht darum, das symbolreic­he Triptychon von Bosch zum Leben zu erwecken. „Paradisus?“erzählt collagenha­ft wie sich die drei Künstler ihre eigene Vision vom Paradies machen. Es sind kontrastre­iche, assoziativ­e Szenen ohne roten Faden. Das Paradies ist an diesem Abend kein Ort der Harmonie, in dem sich alle gut verstehen. Geschlecht­eruntersch­iede und Unterschie­de zwischen Mensch und Tier scheinen aufgehoben: Casadei durchläuft tänzerisch beeindruck­end die Metamorpho­se vom Menschen zur Schlange, und Schüßler ist Adam und Eva in einer Person.

Bedeutet das Paradies auf Erden, das bestmöglic­he Leben zu leben? „Wir“, sagt Schüßler, und meint damit auch sich als Performer und seine Tänzerkoll­egen, „suchen immer nach Vollendung und Perfektion, kann das im 21. Jahrhunder­t noch unser Ziel sein?“Das atmosphäri­sch und tänzerisch beeindruck­ende Stück regt an, über eigene Vorstellun­gen vom Paradies auf Erden nachzudenk­en.

 ?? FOTO: KLAUS FRÖHLICH ?? Annäherung an heutige Paradiesvo­rstellunge­n: Baum der Erkenntnis, verbotene Früchte und Schlange zeigt die Emanuele Soavi incompany mit ausgefeilt­er Symbolik – inspiriert von Hieronymus Boschs Malerei.
FOTO: KLAUS FRÖHLICH Annäherung an heutige Paradiesvo­rstellunge­n: Baum der Erkenntnis, verbotene Früchte und Schlange zeigt die Emanuele Soavi incompany mit ausgefeilt­er Symbolik – inspiriert von Hieronymus Boschs Malerei.

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