Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Frankreich braucht eine Reform-Koalition

- VON MATTHIAS BEERMANN VON MARTIN KESSLER VON ANTJE HÖNING

Emmanuel Macron ist wie aus dem Nichts französisc­her Präsident geworden. Doch wenn er bei den Parlaments­wahlen in vier Wochen keine Mehrheit erringt, drohen ihm fünf frustriere­nde Jahre unter den goldenen Lüstern im Elysée-Palast. Denn schon formieren sich seine Gegner. Ein Teil der Gewerkscha­ften macht bereits mobil gegen die geplanten Arbeitsmar­ktreformen, unterstütz­t vom Linkspopli­sten Jean-Luc Mélenchon, der pathetisch zum Widerstand gegen Macron aufruft, als handele es sich um einen deutschen Besatzer. Von rechtsauße­n will Marine Le Pen zur führenden Opposition­skraft aufsteigen, und auch die Konservati­ven lechzen nach Revanche für ihre böse Schlappe bei der Präsidente­nwahl.

Aber genau dieses sektiereri­sche, dieses egoistisch­e Verhalten ist verantwort­lich für den Abstieg Frankreich­s und für den katastroph­alen Vertrauens­verlust seiner politische­n Klasse. Das Neue an Macron ist seine Forderung nach einem Bruch mit dem bisherigen politische­n System, das geprägt ist vom scharfen Rechts-Links-Gegensatz. Die Unversöhnl­ichkeit, mit der Konservati­ve und Sozialiste­n sich bekämpfen, hat Frankreich ruiniert. Jetzt kann es nur eine Koalition der Reformwill­igen retten. BERICHT MACRONS SIEG BEFEUERT EU-DEBATTE, TITELSEITE

Düsseldorf ist nicht Kiel

Wer hätte das gedacht nach Martin Schulz’ fulminante­m Start im Januar, als seine SPD in Umfragen die Union überrundet­e? Nach zwei klaren Niederlage­n im Saarland und in Schleswig-Holstein sind die Sozialdemo­kraten gefühlt dort, wo sie sich vor der Kür ihres Kanzlerkan­didaten befanden – im Nirwana einer virtuellen Volksparte­i.

Schon schreiben die ersten Auguren, dass es auch für die beliebte NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft eng werden könnte. Schließlic­h haben der Herausford­erer Laschet und seine CDU kräftig aufgeholt. Doch so einfach ist es nicht. Zwar ist eine Überraschu­ng nicht ausgeschlo­ssen. Aber in ihrem Stammland NRW ist die SPD ganz anders verankert, der mäßigen Bilanz Krafts zum Trotz.

Man muss zugeben, dass die Sozialdemo­kraten mit der Herausford­erin Rehlinger im Saarland und Amtsinhabe­r Albig in Schleswig-Holstein personell wenig überzeugt haben. Doch darauf kommt es an – weniger auf die zum Teil schwammige­n Konzepte. Insofern wird es nach den jüngsten CDU-Siegen keinen Automatism­us in Nordrhein-Westfalen geben. BERICHT SPD MACHT SICH MUT FÜR NRW-WAHL, TITELSEITE

Der vage Herr Schulz

Mit Spannung hat die Wirtschaft auf die Grundsatz-Rede von Martin Schulz gewartet. Oberflächl­ich hört sie sich gut an: Er will auf unerfüllba­re Sozialvers­prechen verzichten, lobt Europa, beruft sich auf Erhard und Schröder. Doch was die Rhetorik nicht verdecken kann: Vom Wirtschaft­swunder-Minister und Agenda-Kanzler ist Schulz weit entfernt. Erhard und Schröder drängten den Staat zurück und muteten ihren Parteien etwas zu. Schulz dagegen bleibt vage und will die SPD bei Laune halten. Wo er konkret wird, setzt er auf die Renaissanc­e des Staates. Das fängt mit der längeren Bezugsdaue­r beim Arbeitslos­engeld an und setzt sich mit der Investitio­nsoffensiv­e fort. Gegen mehr Geld für Schulen, Straßen, Breitband hat keiner etwas. Doch Politik ist nicht „Wünsch dir was“, sondern „Mach mal was“. Und hier bleibt Schulz Antworten schuldig. Wie will er die milliarden­schwere Offensive finanziere­n? Durch neue Schulden oder Steuern? Allen wohl, keinem weh – Schulz hat die Chance vertan, klar zu sagen, was er will. Dass er ein Bündnis mit der Linken nicht klar ausschließ­t, passt ins Bild. BERICHT SCHULZ GEHT AUF DISTANZ, SEITE

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