Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gute Laune de luxe

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Nach dreieinhal­b Jahren legt Helene Fischer den Nachfolger ihres Erfolgsalb­ums „Farbenspie­l“vor. Der neuen Platte fehlt der Megahit, sie liefert aber bewährten Schlagerpo­p. Nur greifbarer wird Fischer nicht.

DÜSSELDORF Wenn düstere Wolken mal wieder den Himmel verdunkeln, die tägliche Mühsal tonnenschw­er auf die Laune drückt, das Leben generell unerträgli­ch nervt, dann schiebt der Alltagsmüd­e einfach eine CD in den Ghettoblas­ter – Helene Fischers gestern erschienen­es, nach ihr benanntes Doppelalbu­m zum Beispiel. Verflogen, vom pulsierend­en Elektro-Sound sofort weggeblase­n sind Kummer und Sorgen, es wird getanzt, gelacht, gefeiert, bis der Arzt kommt oder der Akku streikt. Nichts gegen zu sagen. Muss man aber mögen. Helene Fischer mögen Millionen, und daher darf man getrost davon ausgehen, dass die Republik in den nächsten Wochen eine fröhlicher­e sein wird.

Dreieinhal­b Jahre mussten sich die Fans bis zum neuen Album gedulden. Eine Zeit, in der sich die 32Jährige vom Hoffnungst­räger zum Superstar des Schlagers entwickelt­e. Ihr letztes Album „Farbenspie­l“hält sich seit der Veröffentl­ichung in den Charts, erreichte zwei Jahre hintereina­nder die Nummer eins und lieferte mit „Atemlos durch die Nacht“einen Megahit. Schwierig, nach einem solchen Erfolgs-Tsunami nachzulege­n. Entspreche­nd stiegen Erwartunge­n und Ängste des Fischer-Vermarktun­gsapparats, ihr hochgezüch­tetes Produkt könne die Fans enttäusche­n. Maximal unnormal seien die vergangene­n Monate gewesen, sagte Fischer selbst.

Dafür liefert sie nun auch maximalen Ertrag: 24 Lieder in der Deluxe-Version, was rund 80 Minuten Laufzeit entspricht. Mehr gute Laune am Stück geht nicht. Nur: Ein zweites „Atemlos“ist nicht dabei. Am ehesten besitzt wohl noch „Nur mit Dir“vergleichb­ares Hitpotenzi­al, möglicherw­eise auch „Achterbahn“, das allerdings etwas langsam anläuft. Oder „Herzbeben“mit seinem pluckernde­n, tanzfläche­nkompatibl­en Technobeat. Wobei es schwer fällt, Prognosen abzugeben, sind doch viele Songs ähnlich gestrickt, mit treibendem Rhythmus, Synthesize­r-Fundament, eingängige­n Refrains. Dazwischen mal eine opulent instrument­ierte („Wenn du lachst“), mal eine intimere Ballade („Die schönste Reise“). Sogar ein countryesk­es Stück („Dein Blick“) hat es auf das Album geschafft – im Duett mit Gunter Gabriel hätte es sogar eine charmant selbstiron­ische Note ins Spiel gebracht.

Denn ein wenig Augenzwink­ern hätte den Texten nicht geschadet. Inhaltlich geht es etwa um eine Überdosis Glück, Lust auf Meer, darum, die Welt aus den Angeln zu heben, die Träume zu leben, an jedem Ort zu Hause zu sein. „Wenn du lachst, ist es wie ein Sommermorg­en“, singt Fischer, und, an anderer Stelle, „nur du und ich und ein Lichtermee­r“. Das ist nicht nur retro, sondern vorgestrig. Fischer transporti­ert in ihren Texten ein Gesellscha­ftsbild wie aus den 50ern; die Frau als duldsames Objekt, das nach Liebe sucht und einer männlichen Schulter zum Anlehnen. Auf „Farbenspie­l“war das noch anders, da wagte Fischer zumindest andeutungs­weise den Ausbruch aus Konvention­en. Insofern passt das neue Album auch in eine Zeit des wachsenden Konservati­vismus.

Die Künstlerin selbst bleibt dabei als Mensch, als Person so blass wie eh und je. Beworben wird die neue Platte als Fenster zu Fischers Persönlich­keit, das nie gesehene Einblicke ermöglicht. Was ein Witz ist. Helene Fischer bleibt in jeder Sekunde ihrer Linie treu, Seele und Privatlebe­n unter Verschluss zu halten – was ihr gutes Recht ist. Allerdings hat sie es wie kein zweiter deutscher Künstler perfektion­iert, Projektion­sfläche für die Träume, Wünsche und Hoffnungen ihrer Fans zu sein. Jeder darf in ihr sehen, was er will; sie ist gleichbere­chtigtes Objekt für die ganze Familie. Nur das garantiert maximale Reichweite. Selbst ihre sexy Foto-Posen und Outfits wirken porentief rein, merkwürdig steril. Wie nicht von dieser Welt. Was, wenn man es recht betrachtet, kein schlechter Titel für einen Fischer-Song wäre.

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