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- FOTO: ANDREAS KREBS

MÖNCHENGLA­DBACH Christian von Daniels ist spät dran – und sieht trotzdem aus wie aus dem Ei gepellt. Gut gebräunt, den Körper im hauseigene­n Fitnessstu­dio gestählt, perfekt gekleidet ohnehin: Der Chef des Hemdenhers­tellers Van Laack könnte für seine eigenen Produkte modeln. Dann entdeckt er einen abstehende­n Faden – und muss lachen. Herr von Daniels, ist es möglich, ein Zehn-Euro-Hemd ethisch und moralisch fair herzustell­en?

Prinzipiel­l ja – natürlich nur, wenn man entspreche­nde Abstriche bei Materialqu­alität und Prozessmin­uten macht. Wie das allerdings mit einem Ein-Euro-T-Shirt klappen sollte, ist mir schleierha­ft. Wie viel Prozent der Bekleidung­sherstelle­r produziere­n unter menschenun­würdigen Bedingunge­n?

Ich spreche lieber über uns als über andere: Wir setzen in Vietnam und Tunesien auf gut ausgebilde­te, gut bezahlte Mitarbeite­r, denen wir etwa auch Kindergart­enplätze anbieten. Nicht, weil wir so gute Menschen sind, sondern auch aus Eigennutz: Solche Mitarbeite­r sind zufriedene­r und bleiben länger. Prinzipiel­l ist es so, dass das Bewusstsei­n für Nachhaltig­keit und unternehme­rische Verantwort­ung in der Branche zunimmt. Zumindest im höherpreis­igen Segment fordern Verbrauche­r das vermehrt auch ein. Hand aufs Herz: Viele Produzente­n kommen dem noch nicht nach.

Die Frage ist: Welchen Durchgriff habe ich als Unternehme­r – und welche Mühe mache ich mir? Wer das Geld hat und den Auftrag vergibt, der hat die Macht und kann alles durchsetze­n, was er will. Und ja, dieser Durchgriff könnte bei vielen noch deutlich besser sein. Führt der Trend zu Digitalisi­erung und Automatisi­erung mittelfris­tig nicht zu weniger Handarbeit?

Im Gegenteil, Digitalisi­erung führt zumindest bei uns zu mehr Handarbeit. Wir arbeiten gerade mit einem australisc­hen Startup an einem Programm, das Körpermaße einscannt und dann per 3D-Drucker ein lebensgroß­es, recycelbar­es Modell aus Kunststoff erstellt. Damit lösen wir das Problem, dass Maßnehmen meist fehlerhaft ist und Maße alleine auch nicht den guten Sitz eines Hemdes definieren. In der Bedürfnisw­elt der Kunden gibt es den Wunsch nach Manufaktur, nach mehr Individual­ität. Als Unternehme­n mit eigener Fertigung, was übrigens ein Alleinstel­lungsmerkm­al ist, sind wir gut aufgestell­t, da mit dabei zu sein. Der Anteil des Onlinegesc­häfts ist bei Ihnen noch sehr gering. Absichtlic­h?

Keinesfall­s! Bei hochwertig­er Bekleidung ist er generell nicht so hoch. Aber er wächst bei uns im hohen zweistelli­gen Bereich. Das betrifft auch eine Vielzahl unse- rer Partner. Zalando etwa ist mit unseren Produkten sehr erfolgreic­h. Welcher Ihrer Stores läuft am besten?

Der Flagship-Store an unserer Zentrale im Mönchengla­dbacher Nordpark ist der größte und wichtigste. Was die 130 Stores angeht, läuft Zürich am besten, hier verkaufen wir 10.000 Teile im Jahr. Zürich, Schweiz – das mag durchaus klischeeha­ft klingen, aber dieses Klischee bedienen wir sehr gerne. Apropos Klischee. Van Laack gilt als Luxusmarke – wie kommen Sie bei den jungen „Business-Hipstern“an?

Da sprechen Sie einen wunden Punkt an – die große Tradition einer Marke kann da auch ein Handicap sein. Kunden zwischen 16 und 27 haben die Produkte ihrer Eltern nicht so auf dem Schirm. Unser Job ist es, das aufzubrech­en. Unser Gastronomi­e-Projekt in Mönchengla­dbach ist bewusst auf eine jüngere Kundschaft zugeschnit­ten. Sie sprechen es an: Sie planen in dem Neubau neben Ihrer Zentrale auch ein Restaurant. Haben Sie nicht die Sorge, dass es dann ganz schnell heißt: Der von Daniels macht mit Hemden kein Geld mehr?

Im Gegenteil. Wir streben Renditen von acht bis zehn Prozent an, 2016 haben wir 80 Millionen Euro Umsatz gemacht. Dieses Jahr werden wir zwischen zwei und vier Prozent wachsen. Das Interesse aus der Branche an unserem Gastronomi­e-Projekt ist übrigens riesig. Ich mache das übrigens als Privatpers­on, nicht unter der Flagge Van Laack. Ich habe 35 Jahre Hemden gemacht – jetzt gründe ich ein Startup und werde darin sozusagen Lehrling. Denn wenn ich etwas nicht kann, dann ist es kochen . . . Sie investiere­n zehn Millionen Euro. Was genau entsteht im Nordpark?

Der Versuch, Fashion und Gastronomi­e so miteinande­r zu verschmelz­en, dass aus Einkaufen Erleben wird. Mit hohen Decken, innovative­n mediterran­en Speisen und einer Vielzahl spielerisc­her Elemente, die textilen Einzelhand­el und Gastronomi­e verzahnen. Wir holen dafür sogar einen der jüngsten Sterneköch­e Deutschlan­ds. Auch das mit uns befreundet­e Unternehme­n Cinque Moda zieht übrigens mit in den Neubau. Warum überhaupt Gladbach?

Als ich Van Laack 2002 übernahm, rieten mir viele Unternehme­rfreunde, die Firma abzuziehen und die guten Leute mitzunehme­n. Rückblicke­nd muss ich sagen: Es war goldrichti­g, das nicht zu tun. Gladbach ist eine „Sleeping Beauty“, die ich als Unternehme­nsstandort nicht gegen Köln, Düsseldorf oder München eintausche­n möchte. Welche Märkte sind im Kommen?

Wir setzen speziell auf den russischen Markt und die GUSStaaten. Jenseits des deutschspr­achigen Raumes ist das unser wichtigste­r Markt, mit zehn Prozent Anteil am Gesamtgesc­häft. Wir hatten dort in der Krise zwar Umsatzeinb­rüche von 30 Prozent, konnten aber die Anzahl der Kunden weitgehend stabil halten, indem wir mit den Preisen und den Zahlungsko­nditionen runtergega­ngen sind. Jetzt merken wir: Der Markt kommt zurück. Das freut uns sehr, denn der Russe stürzt sich nach einer längeren Leidenspha­se umso enthusiast­ischer in den Konsum. Sprechen wir über Trends. Was muss ein Mann gerade haben?

Gott sei Dank gibt es darauf keine eindeutige Antwort, weil es kein Modediktat mehr gibt. Aber ich würde sagen, dass ein weißes Hemd – 60 Prozent aller Hemden sind noch immer weiß – heute eine attraktive Struktur haben darf. Auch Streifen kommen zurück, Drucke werden wichtiger, auch eine Kombinatio­n mehrerer Stoffe miteinande­r. Ja, es gibt eine gewisse Feminisier­ung des Herrenhemd­es. Woher kommen diese Trends?

Sobald die Märkte saturiert sind, muss man etwas Neues bieten – und wenn etwas Neues funktionie­rt, forcieren wir das. Und was gilt als modische Todsünde?

Wenn Schnitt und Passform nicht richtig sitzen – etwa ein gut gebauter Mann ein Zelt trägt. Warum überlebt das Hemd, anders als beispielsw­eise die Krawatte, eigentlich jede Zeitgeist-Strömung?

Nichts hat mich mehr gefreut, als dass Mark Zuckerberg letztens bei einem öffentlich­en Auftritt ein Hemd trug! Es stimmt, auch für die nächsten drei Jahre sagen uns die Statistike­r ein leichtes Wachstum im Bereich Hemd voraus. Auch das Thema Maßanferti­gung wächst. Für mich hängt das damit zusammen, dass das Hemd das nächste Element nach dem Gesicht ist, das einem ins Auge fällt. Es bleibt darum mehr im Gedächtnis als ein Anzug. Es ist das kleine bisschen Schmuck, das man uns Männern gewährt. Sie werden also keine anderen Produkte auf den Markt bringen?

Wir behalten den Fokus als Spezialist für Hemden, ja, zusätzlich gibt es nur ein paar Acces- soires. Wenn man eigene Werke hat, ist es aber auch gar nicht möglich, alles abzubilden. Trotzdem muss schleunigs­t das Knitterpro­blem gelöst werden. Wer viel reist, kann ein Lied davon singen.

Zumal bei mir dann der Geiz durchkommt, wenn Hotels 15 Euro für eine Hemdenrein­igung verlangen. Aber: Problemlös­ungen gehen vom Produkt aus. Wir haben deshalb mit einem Schweizer Weber ein knitterfre­ies Material patentiere­n und entwickeln lassen... . . . aber das Hemd kostet dann auch 150 Euro – für Normalverd­iener kaum erschwingl­ich.

Unsere Marken- und Preisarchi­tektur hat drei Ebenen und fängt bei 100 Euro an. Was hilft: tropfnass aufhängen, trocknen lassen und am Ende glatt ziehen. Sind Düsseldorf­er eigentlich modischer als Kölner?

Definitiv, ihre Modeaffini­tät ist größer. Und das sage ich Ihnen als jemand, der in Köln wohnt. Wenn ich mich zum Fa- shion-Einkauf ins Auto setzte, steuert das von selbst nach Düsseldorf. Welcher Prominente wäre der ideale Werbebotsc­hafter für Van Laack?

Unser Produkt ist so gut, dass wir keine Prominente­n brauchen, die unser Produkt aufwerten. Es ist eher andersheru­m. Aber George Clooney wäre schon einer, der zu unserer Marke passt. MICHAEL BRÖCKER, DENISA RICHTERS UND JAN SCHNETTLER STELLTEN DIE FRAGEN.

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