Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das Denkmal Völler bröckelt
Bayer Leverkusens missratene Saison rückt auch den Sportdirektor in die Kritik.
LEVERKUSEN Vereine prägen Gesichter, und Gesichter prägen Vereine. Letzteres wird an keinem anderen Ort in der Fußball-Bundesliga so deutlich wie in Leverkusen. Seit 23 Jahren ist Rudi Völler die Galionsfigur von Bayer 04 – nur durch die Tätigkeit als deutscher Teamchef und ein Intermezzo beim AS Rom kurz unterbrochen. Erst als Spieler, zweimal als Interimstrainer, seit 2005 als Sportdirektor geht Völler für den Werksklub voran. Unter dem 57-Jährigen hat sich Bayer unter den fünf, sechs Topteams der Liga etabliert. Einen Titel holte „Vizekusen“nicht, aber zuletzt erreichte der Verein vier Mal in Folge die Champions League. Nun bringt aber eine völlig verkorkste Saison das Gebilde Bayer 04 mächtig ins Wackeln – und damit auch das Denkmal Völler.
Am vergangenen Sonntag ist Rudi Völler im Sport1-Doppelpass zugeschaltet. Er quält sich dazu, die bohrenden Fragen wegzulächeln und möglichst sachlich zu beantworten. Man sieht ihm aber seine miese Gemütslage an. Er schlägt auch selbstkritische Töne an – eine Disziplin, in der Völler ansonsten weit entfernt von Weltrekorden ist. Wann immer jemand an seiner Arbeit zweifelt, wird der gebürtige Hanauer bissig und versucht die Kritik im Keim zu ersticken. In dieser Saison sind die Misserfolge aber zu nachhaltig. Der Sportdirektor bietet Angriffsfläche.
Als es im Winter kriselte, gab Völler der Mannschaft stets ein Alibi. Wahlweise war es Pech, Schicksal oder des Schiedsrichters Schuld, dass gegen Leipzig, München, Freiburg, Schalke und Ingolstadt aus fünf Partien nur vier Punkte geholt wurden. Nach einem 1:1 in Köln stolperte die Werkself in die Winterpause – und mit ihr Roger Schmidt. Wie ein Prellbock stellte sich Völler vor den polarisierenden Coach, der zwei erfolgreiche Saisons in Leverkusen hingelegt hatte, aber auch immer wieder für Eklats nebst etwaiger Sperren zu haben war. Nachdem der Start in die Rückrunde misslang, zogen die Verantwortlichen nach dem 2:6 in Dortmund Anfang März die Reißleine. Trotz aller vorigen Treueschwüre war die Ära Roger Schmidt beendet.
Als Nachfolger präsentierte Völler Tayfun Korkut, der die verkorkste Spielzeit mit der Qualifikation für die Europa League retten sollte. Das ist gründlich misslungen. Aus neun Bundesligapartien holte der bereits in Hannover und Kaiserslautern bemerkenswert erfolglose Coach bislang sieben Punkte. Die Aufholjagd wurde zur Talfahrt. Der Relegationsplatz ist vor dem Derby heute gegen Köln nur drei Punkte entfernt – ein Desaster für das mit Nationalspielern gespickte Ensemble.
Obwohl sich der Weg nach unten längst abzeichnete, sprachen Korkut und Völler beinahe trotzig noch von der Europa League. Erst nach dem 1:2 in Freiburg am 30. Spieltag schlich sich das Wort „Abstiegs-