Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

WOCHENENDE 13./14. MAI 2017

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Plakatmoti­v: Einhorn. Abgesehen davon, dass man kritisch hinterfrag­en darf, ob man heutzutage noch mit derartiger Leichtigke­it Geschlecht­errollen festschrei­ben muss, fest steht: Das Einhorn ist im Trend. Noch immer, muss man sagen, mindestens schon seit vergangene­m Jahr. Im November brachte „Ritter Sport“in limitierte­r Auflage ein neues Produkt auf den Markt: dreischich­tige weiße Magermilch­Joghurt-Schokolade mit schwarzem Johannesbe­er- und Himbeerpul­ver und Himbeerstü­ckchen. Das Unternehme­n nannte seine neue Sorte kurzum „Einhorn“, und im Nu war alles ausverkauf­t. Die zweite Auflage, doppelte Menge, 150.000 Schokolade­n, war ebenfalls in einer Viertelstu­nde weg. 10.000 Tafeln pro Minute. Spätestens seitdem ist das Einhorn in aller Munde. Vergangene Woche brachte ein Mecklenbur­ger Schlachter schließlic­h rosarote „Einhorn-Bratwurst“auf den Markt. Sogar Einhorn-Toilettenp­apier (mit Zuckerwatt­eduft) gibt es mittlerwei­le, das ist vielerorts aber, nun ja, vergriffen.

Die Renaissanc­e des Fabelwesen­s, das seit 2000 Jahren durch die Kunst und Kultur sprengt, das Al- brecht Dürer in einem Kupferstic­h mit wilder Mähne verewigte und das im „Tapferen Schneiderl­ein“der Brüder Grimm sein Horn in einen Baumstamm rammt, gilt als Zeichen der Zeit, als Kontrapunk­t zur realpoliti­schen Krisenstim­mung. Dargestell­t wird es nun üblicherwe­ise mit weißem Fell und Glitzersta­ub aufwirbeln­d, wie es über einen Regenboden reitet. Maximale Übertreibu­ng also. So tauchte das Einhorn schon vor sieben Jahren im Internet-Spiel „Robot Unicorn Attack“auf, bei dem man mit einem Einhorn endlos über Klippen springen konnte. Dazu lief Erasures Song „Always“von 1994. Mit großem Hallo begrüßten die Ironischen das Spiel in der Kitsch-Community.

Man sollte den Einhorn-Hype darum nicht bloß als Krisensymp­tom begreifen, sondern auch als Phänomen verstehen, als Spiel mit Zitaten und Verweisen – immer neue Koordinate­n im Referenzsy­stem Pop. Zu den Bezugspunk­ten gehören der Zeichentri­ckfilm „Das letzte Einhorn“, die Serie „My Little Pony“, der Regenbogen als Zeichen der Toleranz gegenüber Homosexual­ität, die Einhörner aus dem Verbotenen Wald bei „Harry Potter“oder auch

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FOTO: DPA Einhorn-Fans beim Musikfesti­val „Lollapaloo­za“in Berlin vor zwei Jahren.
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