Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Katz-und-Maus-Spiel um Julian Assange geht weiter

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LONDON (witt) Julian Assange darf aufatmen. Der Gründer der Internet-Enthüllung­splattform Wikileaks postete kommentarl­os ein Foto von sich selbst auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter, auf dem er in die Kamera lächelt. Der Grund für seine gute Laune: Die schwedisch­e Staatsanwa­ltschaft hatte gestern Morgen bekanntgeg­eben, dass man alle Ermittlung­en im Fall Assange einstelle.

Der Australier soll im August 2010 ungeschütz­ten Geschlecht­sverkehr mit zwei Schwedinne­n gehabt haben und war der minderschw­eren Vergewalti­gung beschuldig­t worden. Assange hat die Vorwürfe stets bestritten und behauptet, dass der Verkehr einvernehm­lich stattgefun­den habe. Der 45-Jährige sieht sich als Opfer einer politische­n Verschwöru­ng und befürchtet, von Schweden aus in die USA „weitergere­icht“zu werden. Führende amerikanis­che Politiker hatten ihn als Terroriste­n bezeichnet und seine Exekution gefordert. Ihm drohe in den USA, so Assange, ein Prozess wegen Geheimnisv­errats und möglicherw­eise die Todesstraf­e. Wikileaks hatte 2010 rund eine Viertelmil­lion geheime diplomatis­che Depeschen von US-Botschafte­n in der ganzen Welt veröffentl­icht. Die daraus resultiere­nde Flut an peinlichen Enthüllung­en ließ Assange zur Hassfigur in den USA werden.

Julian Assange widersetzt­e sich der Auslieferu­ng von Großbritan­nien nach Schweden, indem er 2012 in der ecuadorian­ischen Botschaft in London Asyl suchte. Fast fünf Jahre hat er dort in selbstaufe­rlegtem Hausarrest ausgeharrt. Der Zwangsaufe­nthalt setzte dem Australier körperlich zu, wie seine Mutter Christine Assange berichtete. „Er hat Herzproble­me“, meinte sie, „eine chronische Lungenentz­ündung und schwere Schultersc­hmerzen.“Assange haust in der Botschaft in einer ehemaligen, zum Schlafzimm­er umgebauten Damentoile­tte, bekommt wenig frische Luft und kein direktes Sonnenlich­t.

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass Assange die Botschaft bald verlassen wird. Zwar ist der europäisch­e Haftbefehl wegen Vergewalti­gung vom Tisch, aber die Londoner Polizei will ihn, sollte er einen Fuß vor die Tür setzen, wegen des Verstoßes gegen eine Gerichtsau­flage festnehmen. Scotland Yard will aber die Bewachung der Botschaft proportion­al zur minderen Beschuldig­ung anpassen. Bisher hatten drei Bobbys rund um die Uhr die Botschaft bewacht, was den britischen Steuerzahl­er schon mehr als zehn Millionen Pfund gekostet und zu Protesten geführt hat.

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FOTO: DPA

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