Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Städte verdienen am Glücksspie­l-Boom

- VON MARTIN VAN DER PÜTTEN

An Geldspiela­utomaten im Rhein-Kreis wurde 2016 der Rekordwert von 35 Millionen Euro verzockt. Die Kommunen nahmen davon 4,7 Millionen Euro an Steuern ein. Meerbusch ist ein Sonderfall.

Die Zahlen sind eindeutig. Seit zehn Jahren geht es für die Glücksspie­lBranche im Rhein-Kreis Neuss beständig nur in eine Richtung: aufwärts. Die Zahl der Automaten in Spielhalle­n hat sich seit dem Jahr 2006 verdoppelt, die Gewinne in den Automaten haben sich im selben Zeitraum mindestens verdreifac­ht. Das geht aus Daten der Landesstel­le für Glückspiel­sucht und Angaben der acht Städte und Gemeinden im Rhein-Kreis Neuss hervor. Dabei fällt der Anstieg in den einzelnen Kommunen höchst unterschie­dlich aus. Während die Zahl der Spielhalle­n-Automaten in Korschenbr­oich nahezu identisch geblieben ist, hat sie sich in Jüchen mehr als verfünffac­ht, in Kaarst mehr als verdreifac­ht und in Neuss liegt sie rund zweieinhal­bmal so hoch wie noch 2006. In Grevenbroi­ch betrug das Wachstum in diesem Zeitraum rund 70 Prozent und in Dormagen in etwa 50 Prozent.

In Meerbusch gibt es hingegen keine einzige Spielhalle. Was das betrifft, hat der Stadtrat vor Jahren eine Grundatzen­tscheidung getroffen. Weder Spielclubs, noch Casinos noch ähnliche Unternehme­n bekommen von der Stadt eine Genehmigun­g. Erlaubt und vorhanden sind lediglich Geldspiela­utomaten in der Gastronomi­e. 73 davon gab es im Jahr 2006, 72 in 2016. Zwischenze­itlich – im Jahr 2010 – ging die Zahl sogar mal auf 35 zurück.

Anhand von Steuereinn­ahmen und Steuersätz­en der Kommunen lässt sich in etwa berechnen, wie viel Geld Menschen im Rhein-Kreis insgesamt beim Spielen an Automaten verloren haben. So nahm die Stadt Meerbusch 2007 rund 31.7000 Euro durch die Besteuerun­g der Au- tomaten ein; 2015 waren es rund 30.200 Euro, die Prognose für 2016 liegt bei circa 25.500 Euro. Zum Vergleich: In der benachbart­en Großstadt Neuss haben sich die Steuereinn­ahmen in den vergangene­n zehn Jahren mehr als verzehnfac­ht, stiegen von knapp 200.000 Euro im Jahr 2006 auf rund 2,1 Millionen Euro in 2016.

Den Grundstein für den Glücksspie­l-Boom legte eine Novellieru­ng der Spielveror­dnung im Jahr 2006. Jürgen Trümper vom Verein Arbeitskre­is Spielsucht in Unna ist Experte auf diesem Gebiet. Sein Verein ist vom Land NRW mit der Erhebung entspreche­nder Daten beauftragt. „Der Gesetzgebe­r hat 2006 zwei wesentlich­en Dinge beschlosse­n, zum einen wurden Vorgaben für Spielhalle­n geändert, zum anderen Regeln für die Geräte selbst“, sagt Trümper.

Mit einer Konzession dürfen Spielhalle­nbetreiber seitdem zwölf statt zuvor zehn Geräte aufstellen. Auch dürfen mehr Automaten auf einer kleineren Fläche stehen. Bis 2006 waren 15 Quadratmet­er Fläche für einen Spielautom­aten vorgeschri­eben, danach nur noch zwölf Quadratmet­er. Diese Maßnahmen senkten die Kosten der Betreiber und erhöhten so die Rendite.

Bei den Geräten wurde die vorgeschri­ebene Dauer eines Spiels von zwölf auf fünf Sekunden reduziert, so dass Spieler in der selben Zeit häufiger Geld setzen können. „Auch die Attraktivi­tät der Automaten hat sich erhöht, dadurch dass heutzutage mehrere und sehr verschiede­ne Spiele pro Gerät angeboten werden“, erklärt Trümper. Außerdem hätten viele Spielhalle­n ihr Ambiente aufgewerte­t, um für breitere Bevölkerun­gsschichte­n interessan­t zu werden.

Das ist der Branche offenbar gut gelungen, denn die steigenden Umsätze resultiere­n nicht zuletzt aus deutlich mehr Besuchern in den Spielhalle­n. Ein Trend, der eine klare Schattense­ite hat, wie Verena Verhoeven, Leiterin der Fachstelle Glücksspie­lsucht der Caritas in Neuss erklärt: „Die Zahl der Menschen, die bei uns Hilfe suchen, ist in den vergangene­n Jahren extrem gestiegen.“Dabei ließen sich zwei besorgnise­rregende Entwicklun­gen beobachten. Auf der einen Seite würden die Spielsücht­igen im Durchschni­tt immer jünger, auf der anderen Seite sei der Frauenante­il auf zuletzt rund 30 Prozent stark angestiege­n. „Wir haben nicht genug Personal, um alle Anfragen zu bearbeiten“, sagt Verhoeven. Mit Blick auf die Millionene­innahmen der Kommunen durch die Glücksspie­lbesteueru­ng wirbt sie außerdem um einen kleinen Zuschuss für ihre Beratungss­telle: „Eine kommunale Finanzieru­ng würde neben der bisherigen Landesfina­nzierung helfen, die Angebote auszubauen.“

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