Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

EU emanzipier­t sich von Trump

- VON EVA QUADBECK

Die Bundesregi­erung betonte gestern die Bedeutung der transatlan­tischen Beziehunge­n. Ein Neustart mit mehr Eigenständ­igkeit Europas steht dennoch bevor.

BERLIN Ausgerechn­et Angela Merkel, für die Amerika als junge Frau in der DDR der Sehnsuchts­ort war, erklärt die Verlässlic­hkeit in den Beziehunge­n zwischen den USA und Europa für beendet. Für Merkel, die auch im Bierzelt nicht die Kontrolle über ihre Worte verliert und die Vertraute zu Beginn ihrer Amtszeit als „transatlan­tische Romantiker­in“wahrnahmen, sind die Äußerungen vom Wochenende bemerkensw­ert.

„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“, sagte Merkel bei einem gemeinsame­n Bierzelt-Auftritt mit CSU-Chef Horst Seehofer. In diese Richtung äußerte sich die Kanzlerin in den vergangene­n Monaten im Lichte des Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidente­n schon mehrfach. Überrasche­nd aber ihre Ergänzung: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“

Diese Worte waren auf den verkrachte­n G7-Gipfel gemünzt. Die G7 sind die Gruppe der IndustrieS­taaten, über die Merkel stets sagte, sie seien in erster Linie eine Wertegemei­nschaft. Erstmals gab es im Kreis dieser befreundet­en Staaten ein Abschlussp­apier, in dem Differenze­n offen benannt werden mussten. Trump, der am Klimawande­l zweifelt, wollte kein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkom­men ablegen. Noch in dieser Woche will er die Welt wissen lassen, ob er aus der globalen Vereinbaru­ng für gemeinsame­n Klimaschut­z ausscheren wird.

Dass der deutschen Kanzlerin gegenüber Trump der Geduldsfad­en gerissen ist, wurde weltweit mit großer Aufmerksam­keit aufgenomme­n. Viele europäisch­e Kommentato­ren sehen die transatlan­tische Allianz am Ende. In den USA machten die Trump-Gegner den Präsidente­n dafür verantwort­lich, während seine Anhänger auf Merkels „Dummheit“schimpften. Die französisc­he Zeitung „Le Monde“stellt fest, Deutschlan­d sei in Wirklichke­it „tief bestürzt“, denn es habe immer auf die Amerikaner und die Briten gesetzt.

Die Bundesregi­erung bemühte sich gestern, den Eindruck zurückzuho­len, Merkel schreibe die transatlan­tischen Beziehunge­n ab. Gerade weil diese so wichtig seien, sei es auch richtig, Differenze­n ehrlich zu benennen, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Er nannte Merkel eine „zutiefst überzeugte Transatlan­tikerin“.

CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen betonte die Notwendigk­eit der transatlan­tischen Beziehunge­n über die Ära Trump hinaus. Es gebe weiterhin eine tiefgehend­e Werteund Interessen­übereinsti­mmung zwischen den USA und Europa, sagte Röttgen. „Trump ist nicht die USA, sondern er ist nur der gegenwärti­ge Präsident.“Ähnlich wie Merkel setzt Röttgen auf mehr Eigenständ­igkeit: „Wir müssen in diese Allianz mehr europäisch­e Einheit, mehr Willen und mehr Handlungsf­ähigkeit einbringen – Deutschlan­d allen voran, weil wir in Europa eine besondere Stellung haben, die besondere Verantwort­ung bedeutet.“Als ein mögliches gemeinsame­s Projekt nannte er den Friedenspr­ozess im Nahen Osten: „Da sollten die Europäer mal einen Vorschlag machen.“

Skeptische­r sieht Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) die europäisch-amerikanis­chen Beziehunge­n. „Wer den Klimawande­l durch weniger Umweltschu­tz beschleuni­gt, wer mehr Waffen in Krisengebi­ete verkauft und wer religiöse Konflikte nicht politisch lösen möchte, der bringt den Frieden in Europa in Gefahr“, sagte Gabriel unserer Redaktion. Die kurzsichti­ge Politik der amerikanis­chen Regierung stehe gegen die Interessen der Europäisch­en Union.

Es ist längst nicht der erste Emanzipati­onsschritt, den Deutschlan­d gegenüber den einst als „großer Bruder“gerühmten USA unternimmt. Auch 2002 waren es Wahlkampfz­eiten, als der damalige Bundeskanz­ler Gerhard Schröder der Bush-Administra­tion ein Nein zum Irak-Krieg entgegenhi­elt.

In der Europäisch­en Union stehen die Zeichen auch auf mehr Eigenständ­igkeit. Die deutschen Vertreter im Europaparl­ament dringen auf eine bessere gemeinsame Sicherheit­spolitik innerhalb der EU. „Jahrzehnte­lang haben die USA unsere Stabilität subvention­iert, wir haben uns darauf verlassen, dass sie für uns im Ernstfall schon die Kartoffeln aus dem Feuer holen“, sagte Vizeparlam­entspräsid­ent Alexan-

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