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REPUBLIK

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Wenn Politik zur Komik verkommt

Norbert Blüm war der CDUArbeits­minister, der eigenhändi­g Plakate mit der Aufschrift „Die Rente ist sicher“an Litfaßsäul­en klebte. Als Blüm dann nicht mehr Arbeitsmin­ister war und sich herausstel­lte, dass die Rente auch nicht sicher ist, jedenfalls nicht in der von Blüm in Aussicht gestellten Größenordn­ung, wechselte der leutselige Sozialpoli­tiker ins Kabarettfa­ch. Seitdem reiste er mit dem Schauspiel­er Peter Sodann übers Land. Sodann wiederum trat 2009 für die Linken als Bundespräs­identenKan­didat an – meinte er aber auch nicht ernst. Wer Blüms späte Karriere ein wenig verstörend findet, muss nicht unbedingt humorlos sein.

Der frühere Finanzmini­ster und Kanzlerkan­didat Peer Steinbrück (SPD), bei dessen Äußerungen man sich schon zu seinen aktiven Politiker-Zeiten gelegentli­ch fragte, ob der das eigentlich alles ernst meint, strebt eine ähnliche Karriere an. Im Sommer will er mit dem Berufskaba­rettisten Florian Schroeder die Bühnen bespielen und wahrschein­lich SPD-Witzchen reißen. So viel sei zu Steinbrück­s Ehrenrettu­ng an dieser Stelle gesagt: Trotz Stinkefing­er-Fotos und einiger verbaler Ausrutsche­r war er ein ordentlich­er Finanzmini­ster, der während der Bankenkris­e einen guten Job gemacht hat.

Es steht aber zu befürchten, dass Steinbrück mit seinem KabarettPr­ogramm für die SPD eine Neuauflage des Pannen-Wahlkampfs von 2013 liefert. Seit dem Wochenende jedenfalls steht fest, dass die Sozialdemo­kraten dabei sicherlich am wenigsten zu lachen haben. Denn Steinbrück legte los, als habe ihn die CSU zum Generalsek­retär berufen. Er attestiert­e seiner ohnehin gebeutelte­n SPD „Realitätsv­erlust“und verglich Kanzlerkan­didat Martin Schulz mit Erich Honecker. „Heulsusen“schob er auch noch hinterher. Dass die Genossen auf diese ei- genwillige Werbung für Steinbrück­s Kabarettto­ur humorlos reagierten, ist absolut nachvollzi­ehbar.

Es ist ja erst vier Jahre her, dass Steinbrück als SPD-Kandidat Kanzler werden wollte. Man fragt sich, wie dick die Rechnung eigentlich ist, die er mit seiner Partei offen hat, dass er noch nicht einmal bis nach der Bundestags­wahl damit warten kann, sich und seine Partei der Lächerlich­keit preiszugeb­en.

In Zeiten, da Rechtspopu­listen Applaus bekommen, wenn sie auf die etablierte­n politische­n Parteien schimpfen, sollten deren Politiker und auch ehemalige Politiker darauf verzichten, die eigenen Reihen lächerlich zu machen. Doch wenn Steinbrück jemals mehr Sinn für Etikette und ungeschrie­bene Gesetze dieser Art gehabt hätte, hätte er auch Kanzler werden können. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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