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Verfassung­sschutz verlangt Massen-Ausspähung im Inland

- VON GREGOR MAYNTZ

Maaßen will eine strategisc­he Kommunikat­ionsüberwa­chung mithilfe von „Selektoren“. Der Sicherheit­skongress listet einige Lücken auf.

BERLIN Um Deutschlan­d besser vor Terror schützen zu können, will Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen mehr Instrument­e für seinen nachrichte­ndienstlic­hen „Werkzeugka­sten“. Bei einem Symposium seiner Behörde mit internatio­nalen Sicherheit­sverantwor­tlichen nannte er unter anderem die Befugnis, den 16 Landesämte­rn für Verfassung­sschutz Weisungen erteilen zu können. Das aktuelle Konzept gehe zurück auf die Herausford­erungen der 50er Jahre. Der Terrorismu­s habe sich seitdem stark verändert.

„Wie der Bundesnach­richtendie­nst (BND) im Ausland brauchen wir im Inland die Möglichkei­t zur strategisc­hen Kommunikat­ionsüberwa­chung mithilfe von Selektoren“, sagte er unserer Redaktion. Dazu gehöre unter anderem auch die Möglichkei­t auf Netzknoten zugreifen zu können. In Anspielung an die jüngsten Gesetzesve­rschärfung­en gegen Gefährder erklärte Maa- ßen: „Zu einer Fußfessel gehört auch immer ein Fuß, der uns bekannt sein muss.“Selektoren sind festgelegt­e Suchmerkma­le, mit denen Geheimdien­ste für sie relevante Informatio­nen aus Datenström­en abgreifen.

Der Verfassung­sschutz-Chef rief zum Schließen von Sicherheit­slücken auf. Er verwies auf eine wachsende Islamisten­szene mit rund 10.000 Salafisten, auf mehr als 670 Gefährder und auf eine hohe Zahl von jungen muslimisch­en Migranten, die zwar registrier­t, aber nicht identifizi­ert worden seien. Einen Einblick in die Dimension der terroristi­schen Bedrohung lieferte Generalbun­desanwalt Peter Frank mit dem Hinweis auf 200 neue Verfahren wegen Terrorverd­achts. Er rechnet damit, dass es bis zum Jahresende über 600 werden könnten. Wie schwierig die Ermittlung­en aufgrund datenschut­zrechtlich­er Beschränku­ngen seien, beleuchtet­e BKA-Präsident Holger Münch anhand eines Ermittlung­sverfahren­s in Schleswig-Holstein gegen drei Män- ner, die „eine 1:1-Kopie der Paris-Attentäter“seien. Über Monate hinweg habe das BKA 70 Überwachun­gsmaßnahme­n gestartet, dabei aber bei der Telefonübe­rwachung vor allem Pizza-Bestellung­en und ähnliches erfahren, während die wesentlich­e Kommunikat­ion mutmaßlich über verschlüss­elte MessengerD­ienste gelaufen sei.

Auch BND-Chef Bruno Kahl wünschte sich eine gesetzlich­e Nachschärf­ung. Derzeit komme der Auslandsna­chrichtend­ienst nicht an Handy und Festplatte­n von Deutschen, die als Krieger in den Dschihad gezogen seien. Laut Verfassung­sschutz sind bereits über 300 dieser Kämpfer nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt, und die wenigsten hätten sich „de-radikalisi­ert“.

Auf 30.000 schätzt der EU-Sicherheit­sexperte Gerhard Conrad die Zahl der ausländisc­hen Kämpfer in Syrien und im Irak, die über kurz oder lang in ihre Heimatländ­er zurückkehr­en werden. Viele Dschihadis­ten seien nun in Libyen.

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