Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Inklusion aus dem Stand

- VON FRANK VOLLMER

Lehrer beklagen, häufig gebe es nur wenige Wochen Vorlaufzei­t für den Unterricht mit Behinderte­n.

DÜSSELDORF Viele Lehrer fühlen sich auf den gemeinsame­n Unterricht mit behinderte­n Kindern ungenügend vorbereite­t. Die ForsaUmfra­ge, die Udo Beckmann gestern vorstellte, der Vorsitzend­e des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), enthält beunruhige­nde Zahlen: So sagten 49 Prozent der Pädagogen in Nordrhein-Westfalen, an deren Schulen es inklusive Lerngruppe­n gibt, die Lehrer hätten zur Vorbereitu­ng höchstens einige Wochen Zeit gehabt. 46 Prozent der Lehrer in Inklusions­klassen berichtete­n, es habe dazu kein besonderes Vorgespräc­h mit den Kollegen oder der Schulleitu­ng gegeben.

Für die Erhebung wurden bundesweit 2050 Lehrer befragt, davon 501 in Nordrhein-Westfalen. Die Umfrage schreibt Erhebungen von 2015 und 2016 fort, und das Fazit lautet: Die Stimmung in Sachen Inklusion ist gleichblei­bend schlecht. Manche Kennzahlen haben sich sogar noch verschlech­tert.

So gaben 2017 nur noch 56 Prozent an, an ihrer Schule gebe es Differenzi­erungsräum­e – Zimmer, in denen behinderte Kinder getrennt betreut werden können. Vor einem Jahr hatten das noch zwei Drittel gesagt. 28 Prozent berichtete­n, die Kollegen, die Inklusions­klassen unterricht­eten, hätten zuvor keine Fortbildun­g bekommen – sieben Punkte mehr als vergangene­s Jahr. „Verspreche­n, aber nicht handeln war anscheinen­d viel zu lange die Maxime der Bildungspo­litik“, sagte VBE-Chef Beckmann.

Die Umfrage bestätige die Kritik seiner Partei an der Inklusion „mit der Brechstang­e“, erklärte der stellvertr­etende CDU-Fraktionsv­orsitzende Klaus Kaiser und versprach, die neue Landesregi­erung werde die weitere Schließung von Förderschu­len stoppen. Beckmann hält das grundsätzl­ich für richtig, ebenso wie fast alle befragten Lehrer – sie wollen weiter ein Nebeneinan­der von Förder- und Regelschul­en. Das reiche aber nicht, sagte Beckmann. Nötig sei ein „Siebenjahr­esplan“, der attraktive Möglichkei­ten für Lehrer umfasse, sich sonderpäda­gogisch fortzubild­en. Dafür müss-

Udo Beckmann ten die Lehrer ihr Stundenbud­get an der Schule für zwei Jahre um 50 Prozent reduzieren dürfen. Die 7000 Sonderpäda­gogen, die in Nordrhein-Westfalen fehlten, könnten die Hochschule­n frühestens in sieben Jahren bereitstel­len.

Immerhin: Der Anteil der Lehrer, der die Inklusion grundsätzl­ich befürworte­t, ist relativ stabil – bundesweit bei 54, in NRW bei 60 Prozent. Bei Lehrern, an deren Schulen inklusiv unterricht­et wird, sind es sogar 65 Prozent. Knapp ist die Mehrheit an Gymnasien (50 zu 42), komfortabl­er an Haupt-, Real- und Gesamtschu­len (59 zu 35) sowie an Grundschul­en (73 zu 20). In NRW haben nach eigenen Angaben 50 Prozent der Lehrer bereits Erfahrunge­n mit inklusivem Unterricht – zehn Prozentpun­kte mehr als noch vor zwei Jahren.

„Verspreche­n, aber nicht handeln war viel zu lange die Maxime“

Verband Bildung und Erziehung

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