Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Deutsche auf dem Film-Olymp

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Ihre Karriere begann desaströs. Nun wurde die 40 Jahre alte Diane Kruger in Cannes als beste Schauspiel­erin geehrt.

DÜSSELDORF Bekannt wurde Diane Kruger als schönste Frau der Welt. Als Helena, um genau zu sein, die spielte sie nämlich 2004 in der Hollywood-Produktion „Troja“. Das Mythologie-Panoptikum war damals eine Riesensach­e, sündhaft teuer und schwer überkandid­elt: Wolfgang Petersen führte Regie, Brad Pitt machte mit, außerdem Orlando Bloom. Der Film missriet indes, er war sterbensla­ngweilig, und von Krugers Auftritt blieb in Erinnerung, dass sie sehr blaue Augen hatte. Ansonsten war ihr Spiel von fasziniere­nder Leere. Und das ist gar nicht böse gemeint, Kruger sieht das selbst genauso: „Ich dachte damals nur: Wow, eine Kamera! Und: Oh, ich drehe einen Film!“So hat sie es in der Zeitung „Guardian“gesagt, und das zeigt, wie entwaffnen­d ehrlich sie ist. Und wie lustig.

Kruger kann inzwischen ohnehin darüber lachen. Gerade ist sie bei den Filmfestsp­ielen in Cannes als beste Schauspiel­erin geehrt worden für ihre Darstellun­g in Fatih Akins NSU-Drama „Aus dem Nichts“. Das ist der Gipfel, zumindest aus europäisch­er Sicht: Die 40-Jährige steht nun in einer Reihe mit früheren Preisträge­rinnen wie Isabelle Huppert, Isabelle Adjani und Helen Mirren. Es ist der Lohn für gute Arbeit und eine geschickte Rollenplan­ung.

Kruger, das sollte man wissen, trägt eigentlich den schönen Namen Heidkrüger, sie wurde in Niedersach­sen geboren, und zwar in dem kleinen Ort Algermisse­n. Die Eltern schickten die Tochter ins 12 Kilometer entfernte Hildesheim aufs Gymnasium und zum Ballettunt­erricht. Seit sie elf war, reiste sie in den Sommerferi­en nach London, um in der Royal Ballet School zu trainieren. Kruger hat sich in einem Interview mal an jene Zeit erinnert, und sie sagte, sie habe die Reisen ins Ausland stets als Zuflucht wahrgenomm­en, denn daheim war vieles verquer – der Vater trank, die Eltern ließen sich scheiden, als sie 13 war.

Nach einer Knieverlet­zung musste sie das Tanzen aufgeben. Sie begann zu modeln und beteiligte sich mit 15 am Wettbewerb „Gesicht des Jahres“der Agentur Elite, die ja auch Cindy Crawford und Giselle Bündchen entdeckte, und sie gewann. Kruger lebte fortan in Paris, schmückte das Cover der „Vogue“und machte Reklame für große Modehäuser, für Armani und Chanel.

Als sie Rollenange­bote beim Film annahm, änderte sie ihren Namen. Heidkrüger klingt schön, ist aber von großen Teilen der Welt kaum auszusprec­hen, außerdem sagte eh niemand mehr „Die-ahne“, sie war nun halt die „Dei-änn“. Bei der Besetzung für „Troja“soll sie sich dann gegen 3000 Konkurrent­innen durchgeset­zt haben, aber die Großproduk­tion war doch eher Fluch als Segen. Sie sei zu schön, um ernsthafte Rollen zu spielen, hieß es in der „New York Times“, und das, so hat sie erst neulich wieder gesagt, schmerze sie noch immer. Wie stark sie an sich arbeitete, konnte man in „Inglorious Basterds“(2009) von Quentin Tarantino sehen. Da war sie Bridget von Hammersmar­k, deutscher Filmstar und Spionin, und es gibt darin diese irre Szene, in der Christoph Waltz ihr einen Schuh anpasst, ein bischen wie bei Cinderella – nur dass es dann nicht romantisch, sondern arg heftig wird.

Man hat das hierzuland­e nicht so stark wahrgenomm­en, aber Kruger, die zwischen New York und Paris pendelt, baute sich in Hollywood und in Europa allmählich tragfähige Netzwerke auf. Ihr Ziel ist es, besondere Frauengesc­hichten ins Kino zu bringen. Sie spielte die Marie Antoinette, die Stiefmutte­r Abraham Lincolns, und sie unterstütz­t die französisc­he Filmemache­rin Fabienne Berthaud. Zunächst, indem sie in deren Spielfilme­n die Hauptrolle übernahm. Dann, indem sie mit ihr eine Produktion­sfirtma gründete, um den Film „Sky – Der Himmel in mir“gegen alle Bedenken in den USA ins Kino zu bringen. Krugers Freundin Lena Dunham spielt mit, Norman Reedus aus der Serie „The Walking Dead“. Und, oh Wunder: Der Film lief in Amerika und bekam positive Besprechun­gen.

Kruger sucht stets Rollen, die zu ihr passen, einen Rahmen, den sie auszufülle­n in der Lage ist. Eine ihrer besten Vorstellun­gen bietet sie als Sonya Cross, eine Detektivin mit Asperger-Syndrom, die in der TVSerie „The Bridge“nach einem Frauenmörd­er sucht. Die Reihe ist hochspanne­nd, sie basiert auf der dänisch-schwedisch­en Krimiserie „Die Brücke – Transit in den Tod“und versetzt die Handlung an die Grenze der USA zu Mexiko.

Diane Kruger war zehn Jahre mit Joshua Jackson liiert, dem Pacey aus „Dawson’s Creek“. Sie gilt als offen, und wie gut sie darin ist, künstleris­che Partner ausfindig zu machen, zeigte sich in einer Szene am Rande der Festspiele in Cannes vor fünf Jahren. Es gab eine Strandpart­y, Fatih Akin legte Platten auf, und Kruger ging zu ihm und sagte: „Ich will mit dir arbeiten.“Nun spielt sie also die Mutter des Jungen, der bei einem Bombenansc­hlag von Rechtsextr­emen getötet wird.

Es ist die Rolle, die ihr Zutritt zum europäisch­en Schauspiel-Adel gewährt.

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