Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Lucienn Favre
United gewechselt ist – für begehrte Trainer ist es bislang unüblich, Unsummen auszugeben. Doch auch dieser Markt entwickelt sich langsam, nach dem einige Vereine zur nicht ganz so überraschenden Erkenntnis gekommen sind, nicht einen großen Namen zu verpflichten, sondern denjenigen zu suchen, der am ehesten dem Anforderungsprofil entspricht. Im Fall von Favre hält man beim BVB wohl das Risiko für kalkulierbar, sich nach Tuchel erneut einen schwierigen Charakter einzukaufen.
In Berlin und auch Gladbach hatte der 59-jährige Favre die jeweilige Vereinsführung immer wieder zur Verzweiflung gebracht, mit Ankündigungen, er wolle die Brocken hinschmeißen. Favres Vertrag in Nizza hat noch eine Laufzeit bis 30. Juni
Es ist in den vergangenen Tagen mal wieder eifrig über die Fußballkultur in diesem Lande geredet worden. Als deren größter Feind wurde Helene Fischer ausgemacht, genauer gesagt die Helenefischerisierung des Sports. Die Schlagersängerin war in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales in seltener Harmonie von den Anhängern aus Dortmund und Frankfurt ausgepfiffen worden. Die Fans empfanden den Auftritt als Angriff auf den Fußball in seiner Gesamtheit. Alles immer kommerzialisierter, immer seichter, immer bunter, immer austauschbarer.
In Braunschweig und München hat sich indes offenbart, dass es nicht das größte Problem des Fußballs ist, ob und was es in der Halbzeitpause auf die Ohren gibt. Fans von Eintracht Braunschweig und 1860 München fühlten sich dazu legitimiert, die Enttäuschung über das sportliche Abschneiden ihrer Klubs mit enthemmter Gewalt auszudrücken. In Niedersachsen stürmten Hunderte auf den Rasen 2019 – der Poker wird wohl noch etwas weitergehen.
Ein Geschacher, wie es noch selten ist in der Bundesliga. Auch wenn es immerhin ein paar Beispiele gibt, bei denen Klubs für einen Trainer bereit waren, tiefer in die Tasche zu greifen: Markus Weinzierl Drei Millionen Euro hat der FC Schalke 04 an den
Lieber Helene Fischer als Fan-Gewalt!
und schmissen Gegenstände in Richtung des Wolfsburger Blocks. In Bayern schleuderten völlig enthemmte Chaoten kiloschwere Gegenstände, Stangen und Sitzschalen auf andere Menschen. Zehn Polizisten wurden verletzt.
Gab es danach einen Aufschrei? Ja, aber bei weitem nicht so energisch, wie bei der Frage, ob in der Halbzeit eines Fußballspiels auf dem Rasen gesungen werden sollte oder man sich einfach nur eine Bratwurst und ein Bier holen darf. Groteskerweise schwingt in so manchem Kommentar sogar noch Verständnis mit. Die Fans seien ja schließlich enttäuscht gewesen. Oder: Die Relegation als Konstrukt provoziere quasi die Gewaltausbrüche. Es werde ein künstlicher Druck aufgebaut zum Wohle der Vermarktung.
Beschwichtigungen statt klarer Bekenntnisse gegen Gewalt. Anhänger von Eintracht Frankfurt brauchten 2011 keine Relegation, um sich nach dem feststehenden Abstieg randalierend auszutoben. Natürlich sind nicht alle Fans potenzielle Verbrecher. Doch wer Dinge aufs Spielfeld wirft, überschreitet ganz klar eine Grenze.
In München waberten schon seit geraumer Zeit Gerüchte durchs Netz, in denen 1860-Fans gewalttätige Aktionen im Falle eines Abstiegs ankündigten. Was hat der Verein gemacht? Nichts – oder nicht genug. Einmal mehr hat sich ein Profiklub tatenlos in sein Schicksal ergeben, sich von der Gewalt überrennen lassen. Als ob es ein Naturgesetz sei, Krawalle mindestens zu akzeptieren. Es ist grotesk, wie salopp viele Klubs damit umgehen. Wie wenig konsequent oft Stadionverbote vollstreckt werden. Und es ist ein Armutszeugnis für die Fankultur in diesem Lande, dass das Nichterreichen eines sportlichen Ziels nicht einfach fair akzeptiert wird, sondern mit dumpfer Gewalt quasi zelebriert wird.
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