Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Abschied vom „Theaterarb­eiten“im Ruhrgebiet

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Nach zwölf Jahren in Essen und in Bochum zieht der Schauspiel-Intendant eine durchwachs­ene Bilanz.

BOCHUM Bevor Anselm Weber – 1963 in München geboren – sieben Jahre das Schauspiel­haus Bochum geleitet hat, war er fünf Jahre in Essen. Nun geht er nach Frankfurt. Ein Gespräch über die Zeit im Ruhrgebiet und die finanziell­e Krise. Was sind die besonderen Anforderun­gen an das Theatermac­hen im Ruhrgebiet? WEBER Ich habe für mich einen Begriff gefunden und der ist „Theaterarb­eiten“.

So wie unter Tage arbeiten? WEBER Das weiß ich nicht, ich habe ja nie unter Tage gearbeitet. Aber es sind einfach zwölf Jahre Arbeit gewesen in Essen und Bochum – auf verschiede­nsten Ebenen. Im Ruhrgebiet ist nichts selbstvers­tändlich: Das fängt bei der finanziell­en Grundlage an. Dann ist die Basis des bildungsbü­rgerlichen Publikums deutlich weniger vorhanden als in anderen Städten. Ein Spielplan, der auf den Bildungska­non setzt, bedeutet hier noch nicht, dass Sie gut besuchte Häuser haben. Ich werde wahrschein­lich nie wieder ein so unabhängig­es Publikum erleben wie in Bochum, dass sich so kom- plett seine eigene Meinung bildet, über das, was es da sieht. Was sehen die Bochumer gerne? WEBER: Jetzt gerade den „Steppenwol­f“in der Version von Paul Koek. Das ist ästhetisch eine der komplexest­en Inszenieru­ngen, die wir je hatten und sie ist nur ausverkauf­t, mit zugestellt­en Stühlen. Ein anderer Blockbuste­r ist Kafkas „Die Verwandlun­g“– und da kommen nicht nur die Schüler. Man kann hier eben nicht stumpf auf Liederaben­de setzen, sondern muss sich den Erfolg schon hart erarbeiten. Zadek, Peymann, Haußmann – das Schauspiel­haus Bochum und das Wirken seiner Intendante­n sind umrankt von Mythen und Legenden. Was soll von Ihnen bleiben? WEBER Die Verortung in der Stadt. Die Internatio­nalisierun­g. Dass wir Schauspiel­er wie Jana Schulz, Dimitrij Schaad, Dietmar Bär oder Mechthild Großmann hergeholt haben. Und dass wir das Theater maximal geöffnet haben. Es gibt keine Partner, die wir nicht eingeladen haben, mit uns zu arbeiten – von der freien Szene über städtische Einrichtun­gen, die Studierend­en mit der Theater-Flatrate, die Zukunfts- akademie NRW… Das Detroit-Projekt war wie eine Operation am offenen Herzen der Stadt, da ist eine tiefe Verbundenh­eit entstanden. Wer im Hinblick auf das Schauspiel­haus Bochum noch von Schwellena­ngst redet, weiß nicht, was wir hier gemacht haben. Dabei hatten Sie lange mit einer finanziell­en Krise zu kämpfen… WEBER Man kann im Nachhinein gar nicht drastisch genug werden in der Wortwahl: Die ersten Jahre war ich wirklich damit beschäftig­t, das Haus vor dem Konkurs zu retten. Wir hatten ein Defizit von zwei Millionen Euro und haben saniert, indem wir ie Anzahl der Mitarbeite­r reduziert und die der Aushilfen gegen null gefahren haben, indem wir das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben verbessert haben und die Zuschauerz­ahlen optimiert: Wir haben mit 170.000 Besuchern in der Saison angefangen und sind jetzt bei 220.000. Hat die Krise im Ruhrgebiet auch künstleris­che Projekte verhindert? WEBER Das würde ich nicht sagen. Aber ich war dadurch streckenwe­ise dermaßen absorbiert, dass ich nicht die Zeit hatte, so frei zu denken wie ich es vielleicht gekonnt hätte. Wenn du nachts aufwachst und nicht weißt, wie du 300 Leute über den nächsten Monat kriegst, dann hat

das eben Priorität. MAX FLORIAN KÜHLEM FÜHRTE

DAS GESPRÄCH.

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DPA

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