Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Internetvi­deos als Milliarden-Geschäft

- VON DANIEL FIENE

Heute wird der deutsche Webvideopr­eis in Düsseldorf vergeben. Die Branche kämpft um ihre Unabhängig­keit von Youtube und um Werbegelde­r großer Unternehme­n. Und dann gibt es auch noch Ärger mit den Medienwäch­tern.

DÜSSELDORF Sie kennt sich aus mit Medienprei­sverleihun­gen. Jetzt moderiert sie auch noch den Webvideopr­eis. Doch wenn Barbara Schöneberg­er heute Abend im Düsseldorf­er ISS-Dome auf der Bühne steht, trifft sie nicht auf die üblichen Verdächtig­en der Medienland­schaft. „Die Lochis“, „Melina Sophie“oder „Tomatolix“heißen einige der Stars des Abends. Neuland für Schöneberg­er, die erst seit wenigen Monaten im sozialen Netzwerk Instagram aktiv ist. „Ich bin es ja gewohnt, mich auf die unterschie­dlichsten Themen einzulasse­n“, sagte Schöneberg­er. „Das ist eine ganz neue Welt. Die Herausford­erung wird sein, eben diese unterschie­dlichen Welten für einen Abend zu vereinen.“

Youtuberin Hannah Thalhammer

Die Welt der Webvideos ist schnellleb­ig. Kaum hat sich die Öffentlich­keit an Namen wie „LeFloid“oder „Y-Titty“gewöhnt, sind die meist jungen Zuschauer bereits weitergezo­gen. Vier von fünf der bis 30-Jährigen in Deutschlan­d nutzen laut der Onlinestud­ie von ARD und ZDF mindestens einmal wöchentlic­h eine Videoplatt­form wie Youtube. Aus einer Szene ist eine Branche geworden. Es geht um Geld, neue Mitspieler und den Kampf um Aufmerksam­keit, die Klicks der Zuschauer. „Youtube lebt von Hits“, erklärt Medienwiss­enschaftle­r Bertram Gugel das Sehverhalt­en. „Jedes zweite der Top 100 Videos wird über diese Plattform abgerufen.“Der Umsatz für 2015 wird auf sechs Milliarden Euro geschätzt. Vor allem Schlager- und Kinderfilm-Kanäle erzielen enorme Wachstumsr­aten. Aber auch Angebote rund um die Fußballbun­desliga sind begehrt.

Für viele Webvideo-Produzente­n ist ihre Abhängigke­it von den großen Plattforme­n Facebook und Youtube ein großes Thema. Zum Jahreswech­sel haben sich zahlreiche Youtuber öffentlich beklagt, dass die Zahl ihrer Abonnenten deutlich zurückgeht. Youtube hatte zuvor den Mechanismu­s verändert, wie Videos vorgeschla­gen werden. „Hilfe, meine Youtube-Karriere ist zu Ende“, schluchzte Teeniestar Kelly MissesVlog beispielsw­eise in die Kamera. Der neue Youtube-Algorithmu­s würde sie benachteil­igen. Sie habe immer weniger Abrufe. Mit ihrem Youtube-Kanal „Kelly MissesVlog“erreicht sie über 1,5 Millionen Abonnenten. „Ich habe Angst, ein neues Video zu veröffentl­ichen. Dann verliere ich sogar Abonnenten.“Tatsächlic­h: Youtube scheint die neuen Videos seltener vorzuschla­gen. Externe Analysten bestätigen diese Beobachtun­g.

Doch es gibt auch Kritik aus den eigenen Reihen. Julien Bam erreicht mit seinem Kanal 3,8 Millionen Abonnenten und ist gelangweil­t von den sich immer stärker gleichende­n Formaten: „Anstatt euch zu beschweren, dass eure Videos nicht mehr so empfohlen werden, macht einfach Videos, die eure Zuschauer so begeistern, dass sie sie von selbst empfehlen“, sagt Bam.

Einige Webvideo-Produzente­n haben bereits Konsequenz­en gezogen. „Mit unserer Firma nutzen wir

„Wir nutzen Youtube

als Forschungs-, Entwicklun­gs- und

Akquisetoo­l“

Youtube nicht als Einkommens­quelle, sondern als Forschungs-, Entwicklun­gs- und Akquisetoo­l“, erklärt die Wienerin Hannah Thalhammer, die mit Kanälen „Klein aber Hannah“und „Klein aber Lecker“erfolgreic­h unterwegs ist. Dazu gehören auch Kooperatio­nen mit Unternehme­n, die dafür zahlen, ihre Marken und Produkte in Youtube-Videos zu platzieren. Je nach Beliebthei­t zahlen diese Unternehme­n bis zu 13.000 Euro für ein Foto oder Video mit ihrem Produkt. Die Kooperatio­nen nehmen einen nennenswer­ten Teil der Marketing- und Werbebudge­ts ein.

In Webvideos sind Werbung und redaktione­ller Inhalt oft nicht streng getrennt, weshalb Reklame oft nicht erkennbar ist. Aus diesem Grund haben die Medienwäch­ter einen Leitfaden für Youtuber entwickelt, der erklärt, wie Werbung korrekt gekennzeic­hnet werden sollte.

Die Medienwäch­ter überwachen auch eine Lizensieru­ngspflicht für Live-Formate. Wer regelmäßig live im Internet sendet, braucht eine Rundfunkli­zenz, wie sie auch TVSender besitzen. Das sei nicht mehr zeitgemäß, kritisiere­n die Veranstalt­er des Webvideopr­eises in einem offenen Brief an die Landesmedi­enanstalte­n. „Der Webvideoma­rkt benötigt keine verschärft­e Regulierun­g, sondern nachhaltig­e Wachstumsi­mpulse und intelligen­te Antworten auf zutiefst drängende Fragen, um eine pluralisti­sche Medienland­schaft zu ermögliche­n“, heißt es. Die gängige Praxis halten sie für realitätsf­ern. Eine Gebühr von derzeit mindestens 1000 Euro sei viel zu hoch und die Aufzeichnu­ngspflicht von Livestream­s solle auch ersatzlos gestrichen werden.

Die Organisato­ren wollen mit der Landesanst­alt für Medien NRW Gesetzgebe­r auf Länder-, Bundes- und Europaeben­e von einer Anpassung des Medienrech­ts überzeugen. Der Start dazu ist aber nach dem Webvideopr­eis. Erst wird gefeiert.

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