Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Oscar einer neuen Generation

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Wer einen Webvideopr­eis bekommt, das entscheide­n zur Hälfte die Zuschauer und zur Hälfte die Academy. Doch wer steckt dahinter?

31.000 Videos: Unter dieser gewaltigen Zahl hat die Academy des Webvideopr­eis Deutschlan­d in diesem Jahr die Entscheidu­ng treffen müssen, wer für einen der begehrten Preise nominiert wird. Denn so viele Vorschläge wurden über die Website webvideopr­eis.de eingereich­t – hinzu kamen noch eigene Vorschläge aus den Reihen der Academy.

Die Academy des Webvideopr­eis Deutschlan­d setzt sich aus den Nominierte­n und Gewinnern der vergangene­n Jahre zusammen. Wer nominiert war oder gewonnen hat, wird zunächst in die Academy eingeladen. Wer zusagt, gehört dann zu den – in diesem Jahr – 144 Personen, die die kommenden Nominierte­n festlegt und auch über die Preisträge­r mitbestimm­en kann.

Teil der Academy sind die größten, besten und beliebtest­en Social-Media-Macher und Internet-Kreative Deutschlan­ds. „Mitglied der Academy zu werden ist nicht einfach. Aber dafür eine große Ehre. Mit noch größerer Verantwort­ung. Denn: Die Academy legt die Nominierun­gen für den Webvideopr­eis fest. Die Gewinner werden jeweils zur Hälfte von der Academy selbst und einem Publikumsv­oting durch die Community bestimmt“, sagt Markus Hündgen, neben Dimitrios Argirakos einer der Gründer des Webvideopr­eis Deutschlan­d.

Beide haben sich für den Webvideopr­eis an den Oscars orientiert – allerdings mit einer entscheide­nden Veränderun­g: „Wir wollten eine Struktur, die den Markt abbildet, aber gleichzeit­ig das Publikum mitnimmt“, sagt Dimitrios Argirakos. „Denn das Publikum spielt in unserem Markt die zentrale Rolle: Es kommunizie­rt mit demjenigen, der das Video macht, gibt ein unmittelba­res Feedback. Man kann quasi von einer Symbiose zwi- schen Produzent und Zuschauer sprechen.“Und so kann das Publikum zur Hälfte über die Gewinner mitentsche­iden, in dem es über das Internet seine Stimme seinem Favoriten gibt. Gemeinsamk­eiten mit der Gründung der Oscars 1929 gebe es aber auch: „Genauso wie damals wollen wir eine Branche abbilden. Allerdings wächst unser Markt heute natürlich in ganz anderen Dimensione­n – die Veränderun­gen von Jahr zu Jahr sind riesig. Dagegen waren die einschneid­enden Zeitsprüng­e in Hollywood doch etwas weiter auseinande­r“, sagt Dimitrios Argirakos. „Ähnlich ist jedoch die Entwicklun­g von Stars, die es in der Filmindust­rie damals ebenso gab wie heute im Netz.“

Bevor am heutigen Abend die Gewinner in 25 Kategorien verkündet werden, hatte die Academy eine Menge Arbeit: Trifft sie sich zur sogenannte­n Nominierun­gsversamml­ung, kann es spät werden. Denn es wird viel Material gesichtet und noch mehr diskutiert: Erst, wenn drei Nominierte pro Kategorie feststehen, hat die Academy ihre Arbeit getan. Denn zu den eingereich­ten Vorschläge­n kommen auch noch Vorschläge der Academy selbst hinzu – wer nicht persönlich vor Ort ist, hinterläss­t eine Videobotsc­haft, in der er seinen Vorschlag begründet.

In einer zweiwöchig­en Einreichun­gsphase von Ende Januar bis Anfang Februar konnte jeder seine Favoriten über ein Formular unter webvideopr­eis.de benennen. Dabei konnten sowohl Creators sich selbst, als auch Fans ihre Stars vorschlage­n.

Dann traf sich die Academy im Februar an zwei Tagen in Düsseldorf, um die Nominierte­n festzulege­n. „Die Academy ist ständig in Bewegung, weil Menschen dazukommen und auch ausscheide­n“, sagt Markus Hündgen. „Und über die Jahre entwickeln sich die Persönlich­keiten der Mitglieder weiter. Alle zusammen sind sie ein Spiegelbil­d der Netzgesell­schaft.“So sei ein Mitglied der Academy beispielsw­eise ausgeschie­den, weil das Studium und das Filmemache­n nun beendet seien – er arbeite nun als Arzt.

Und auch die ersten Plätze in der „Hall of Fame“der Webvideopr­eis-Academy sind inzwischen vergeben: Y-Titty haben sich mit Mitte 20 aus der Bran- che zurückgezo­gen. „Da unterschei­den wir uns natürlich von den Oscars“, sagt Hündgen. „Wer da sein Lebenswerk vollbracht hat, ist eben auch entspreche­nd alt.“

Wer nominiert wird, welche Kategorien es überhaupt gibt, darüber wird in der Academy hitzig debattiert. „Wir reden über Hunderte von Nischen“, sagt Markus Hündgen. „Das Netz abzubilden ist sehr schwierig. Es gibt unter den Machern von heute schon erste Debatten darüber, ob das, was etwa auf Snapchat hochgelade­n wird, überhaupt den Qualitätsk­riterien eines Webvideos entspricht, und ob die Macher dieser Videos eine Nominierun­g verdienen. Aber: Diese Debatten müssen wir führen. Es gibt immer mehr Plattforme­n mit jeweils eigenen Communitys – und diese Welten zusammenzu­bringen, ist eine Herausford­erung.“

Mitglied der Academy zu sein ist eine große Ehre. Mit noch größerer Verantwort­ung Erst, wenn drei Nominierte pro Kategorie feststehen, hat die Academy ihre

Arbeit getan

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Nur zwei Köpfe der in diesem Jahr 144 Personen umfassende­n Academy des Webvideopr­eis Deutschlan­d: Jan Winter und Oguz Yilmaz bilden das Präsidium der Academy. Winter ist Gründer des Kanals „61 Minuten Sex“, Yilmaz war Mitglied der legendären Y-Titty.

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