Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Zwei Schriftsteller schwärmen vom Schreiben
Esther Kinsky und Norbert Scheuer erzählten im Heine-Haus, was sie zum Schreiben und Übersetzten motiviert.
An das altbekannte Sprichwort „Verba volent, scripta manent“(übersetzt: Die Worte sind flüchtig, nur das Geschriebene bleibt) denkt auch Norbert Scheuer, wenn er über seine Motivation zu Schreiben redet. Der 65-Jährige genießt es, beim Schreiben in eine Welt einzutauchen, „in der die Zeit dehnbar wird und man etwas erschaffen kann, das bleibt“, erklärt er. Zusammen mit Übersetzerin Esther Kinsky sprach Schriftsteller Scheuer im Heine-Haus über die Erfahrungen als Thomas-Kling-Poetikdozent und den Umgang mit Sprache.
Im Jahr 2011 hat die Kunststiftung NRW die Poetikdozentur an der Universität in Bonn eingerichtet. Seitdem bieten ausgewählte Autoren und Übersetzter nach einer allgemeinen Antrittsvorlesung eigene Lehrveranstaltungen an. In Scheuers Seminar konnten die Studenten seine Werke interpretieren und diskutieren. Sie haben auch über die Struktur seiner Texte gesprochen. Das war auch für Scheuer ein wichtiger Prozess. „Ich konnte mich dabei selbst relativieren“, sagt er.
Allerdings war es für ihn als Schriftsteller schwierig, wenn er dazu aufgefordert wurde, seine Bücher selbst auszudeuten, erzählt Scheuer. „Das machen Autoren ja nicht.“
Eine Eigeninterpretation sei für einen Autor unmöglich, pflichtet ihm Esther Kinsky bei, die ebenfalls zur Riege der Thomas-Kling-Poetikdozenten gehört. „Das ist nicht seine Aufgabe“, sagt die 60-Jährige, die vor allem als Dichterin und Übersetzerin von Joanna Bator und Olga Tokarczuk bekannt ist. Die Herausforderung, aus der Alltagswährung Sprache immer wieder etwas Neues zu schaffen, motiviert Esther Kinsky zum Schreiben, erzählt sie. In ihren Seminaren lernten die Studenten den Umgang mit Sprache als Materie. Über die Annäherung an Texte haben sie schließlich lyrische Werke übersetzt. „Das Schöne dabei ist, dass der Übersetzer nachher den Anspruch auf den übersetzten Text erheben kann“, betont Kinsky. Zwar kann nur das Original für sich be- haupten, aus sich selbst heraus entstanden zu sein. Denn alles andere entsteht ja aus dem Original heraus. Man könne es aber trotzdem sein Eigen nennen, sagt die Übersetzerin.
Walter Benjamin, deutscher Philosoph und Übersetzter, formulierte diesen Gedanken bereits Anfang des 20. Jahrhunderts: Erst eine Übersetzung macht das Übersetzte zum Original.