Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Museum zeigt den Aufbruch in der Kunst
Die Ausstellung „Idea et Inventio – Italienische Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts“im Museum Kunstpalast präsentiert unter anderem Werke von Michelangelo und Raffael.
Düsseldorfer Kunstakademie, Ende des 18. Jahrhunderts: Der Direktor Lambert Krahe zeigt seinen Studenten Zeichnungen italienischer Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts, die er als Kunstsammler erworben hat. Mehr als 200 Jahre später, wieder in der Kunstakademie: Studenten blicken auf die Zeichnungen Michelangelos, Raffaels und Co – und staunen. Zusammen mit Sonja Brink vom Museum Kunstpalast sprechen sie über die Werke, die in diesem Fall auch mal ausnahmsweise ohne Rahmen und Glas, nur im Passepartout, daliegen dürfen.
Brink hat im vergangenen Sommersemester ein Seminar an der Kunstakademie gegeben. „Die Studenten waren elektrisiert. Die Werke haben solch eine Strahlkraft“, sagt sie. Seit rund zwei Jahrzehnten betreut Brink die Akademiesamm- lung, zu der auch die Zeichnungen aus Italien gehören, und die als Dauerleihgabe im Museum Kunstpalast verwahrt ist. Vor etwa acht Jahren begann Brink, sich mit den Blättern der Renaissance und des Manierismus intensiv zu beschäftigen. Im März eröffnete dann die von ihr kuratierte Ausstellung „Idea et Inventio – Italienische Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts“. „Eigentlich ist die Düsseldorfer Sammlung eher für ihre italienischen Zeichnungen des 17. Jahrhunderts bekannt“, erklärt Brink. „Aber das 15. und 16. Jahrhundert haben auch viel zu bieten.“
Von den rund 500 Einzelblättern durften 104 aus dem Dornröschenschlaf erwachen und sich nun in den Museumsräumen des Kunstpalasts präsentieren. Natürlich nicht wie bei den Studenten ohne Rahmen und Glas, denn das würde den empfindlichen Werken schaden. „Die meisten Zeichnungen wurden auf Papier angefertigt, ein paar auf Pergament“, sagt Brink.
Die ältesten Zeichnungen stammen aus den Jahren 1404 bis 1407. Der Künstler Gherardo di Jacopo, genannt Starnina, zeichnete weltliche und kirchliche Figuren auf blaues Papier. Die Blätter packte er dann in sein Musterbuch. Viele Künstler hatten solche Bücher. Sie enthielten Darstellungen von Prototypen. Die Zeichnungen fertigten die Künstler noch vor ihren Modellen an, bei der Umsetzung ihres Gemäldes oder Freskos nahmen sie dann ihr Musterbuch zur Hand.
Inspierieren ließen sich die Künstler von der Natur und der Antike. „Die lag damals ja auf der Straße“, sagt Brink. So eilten viele im Jahr 1506 zu einer Ausgrabung in Rom. Die antike Marmorskulptur, die den von Schlangen bedrängten Priester Laokoon zeigt, war entdeckt worden. Ein Blatt des Giovanni Antonio da Brescia, in der Ausstellung zu sehen, stellt die Skulptur dar – mit allen ihren Makeln nach der Freigrabung. „Die Künstler waren sehr fromm. Sie beschäftigten sich in ihren Werken aber nicht nur mit dem christlichen Glauben, son- dern auch mit der Mythologie. Das schloss sich nicht gegenseitig aus“, sagt Brink. Doch auch die Darstellung des Menschen rückte, im Gegensatz zum Mittelalter, mehr und mehr in den Vordergrund. Die Künstler studierten an den antiken Skulpturen den menschlichen Körper, aber auch am Modell. Sie schauten genau hin, kopierten und entwickelten neue Ideen. Wie zum Beispiel Bartolomeo Passarotti bei seiner Kopfstudie. „Bis jetzt ist kein antikes Werk gefunden worden, das dieser Zeichnung entspricht, und so geht man bis jetzt davon aus, dass sich der Künstler Vorbilder nahm, variierte und einen idealisierten männlichen Kopf schuf“, so Brink. Nicht nur die neuen Themen zeig-
„Die Werke aus dieser Zeit haben solch eine
Strahlkraft“
Sonja Brink
Kuratorin der Ausstellung
ten, dass es vom Mittelalter Richtung Neuzeit ging, sondern auch die neuen Techniken: Pergament war out. Papier war der neue Zeichengrund.
Große Namen wie Raffael und Michelangelo sind auch in der Ausstellung zu finden. Zwei Zeichnungen Michelangelos stellen den Kampf mehrerer nackter Männer mit Schlangen dar. Positioniert sind sie in der Ausstellung neben dem Blatt, das die Laokoon-Skulptur zeigt. Die Schlangenthematik verbindet sie. Ende des Jahres gehen die Zeichnungen Michelangelos als Leihgabe ans Metropolitan Museum of Art in New York.
Nicht nur Raffael und Michelangelo beeinflussten andere Künstler. Auch Polidoro da Caravaggio hatte Einfluss auf seine Kollegen. So kopiert ein Blatt des Künstlers Giovanni Battista Franco, das in der Ausstellung zu sehen ist, Teile aus einer Fassadenmalerei Polidoros. „Heute ist von der Fassadenmalerei kaum noch etwas vorhanden. Umwelteinflüsse haben sie zerstört“, so Brink.