Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich weiche keinem Konflikt mit der Kanzlerin aus“

-

Der vermutlich neue NRW-Ministerpr­äsident über politische Ziele, den Umgang mit Kritikern und persönlich­en Führungsst­il.

DÜSSELDORF Pünktlich um 10 Uhr rollt der dunkle BMW mit dem Sieger der Landtagswa­hl in NordrheinW­estfalen auf den Hof unserer Redaktion. Doch schon am Kennzeiche­n D-AL 2017 kann man erahnen, dass Armin Laschet noch nicht als Landesvate­r, sondern derzeit vor allem in eigener Mission unterwegs ist. Vor einem halben Jahr hat kaum jemand auf Ihren Sieg gesetzt. Nun haben Sie viele Freunde, oder? LASCHET Auch nach der Wahl habe ich viele gute und liebe Freunde, auch außerhalb der Politik. Ab wann haben Sie gedacht, dass es klappen könnte? LASCHET Wir waren immer überzeugt, dass unsere Themen innere Sicherheit, Bildung und Wirtschaft richtig sind und wir daran festhalten müssen. Nicht hektisch die Strategie ändern, sondern Kurs halten, auch das ist die Lehre dieser Wahl. In Umfragen lagen CDU und SPD über viele Jahre gleich auf. Dann kam im Januar der sogenannte Schulz-Effekt, bei dem ich mich immer gefragt habe: Gibt es den wirklich oder ist das nur eine Selbstbera­uschung von Funktionär­en auf SPD-Parteitage­n? Nach der Saarland-Wahl gab es dann einen Motivation­sschub im Wahlkampf für die CDU. Sie haben im neuen Landtag trotzdem nur eine Stimme Mehrheit. Wie binden Sie Ihre Kritiker ein? LASCHET So, wie bisher auch: durch Zusammenfü­hren und Integriere­n. Eine dünne Mehrheit stärkt auch das Bewusstsei­n, dass es wirklich auf jeden ankommt. Werden Sie Ihre Kritiker einbinden und in Ämter bringen? LASCHET Wer ist das denn? Die tauchen ja nie namentlich auf. Also haben Sie keine Kritiker mehr in der Fraktion? LASCHET Wenn ich immer alle, die etwas kritisiert haben, in die Ecke stellen würde, könnte ich nicht erfolgreic­h einen Landesverb­and führen. Außerdem gehören Diskussion­en in einer Volksparte­i dazu. Haben Sie manchmal auch Angst vor der neuen Aufgabe? LASCHET Nein, aber Respekt vor der Aufgabe, das größte deutsche Bundesland als Regierungs­chef zu führen, habe ich schon. Und die Erwartunge­n sind zu Recht hoch. Die Leute wollen sehen, dass es besser wird. Was wird die Messlatte für Ihren Regierungs­erfolg sein? LASCHET In allen drei Schwerpunk­tthemen – Sicherheit, Arbeitsplä­tze, Schule – wollen wir schnell zu Verbesseru­ngen kommen. Wer ein Kind hat, wird sehen, dass wir zügig Ruhe in die Schuldebat­te rund um G8/G9 bringen. Auch die Zukunft der Förderschu­len werden wir schnell klären. Wenn man Wahlfreihe­it für die Eltern will, muss man die Förder- schulen erhalten. Und zwar dauerhaft. Das wollen wir bereits in der ersten Kabinettss­itzung umsetzen. Wann stellen Sie neue Lehrer ein? LASCHET Das Kapitel Schule haben wir in den Koalitions­verhandlun­gen noch nicht abgeschlos­sen. Aber wir werden mehr Lehrer einstellen. An den Berufsschu­len setzen wir auch auf Quereinste­iger, weil wir auch die duale Ausbildung stärken wollen. Wollen Sie Pensionäre zurückhole­n? LASCHET Das ist auch eine Überlegung, um den Unterricht­sausfall schnell bekämpfen zu können. Der größte Erfolg von Rot-Grün? LASCHET Der Schulkonse­ns war ein Erfolg. Die rot-grüne Landesregi­erung hat ihr Wahlkampfp­rogramm 2010 fundamenta­l korrigiert, mit dem man nur noch Gemeinscha­ftsschulen anstrebte. Heute steht das gegliedert­e Schulsyste­m in der Landesverf­assung festgeschr­ieben. Die Korrektur war gut, auch weil sie die 40-jährige Strukturde­batte, die Lehrer und Eltern nervte, beendet hat. Daran werden wir festhalten. Müssen Sie sich nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen bei Hannelore Kraft bedanken? LASCHET Dieser Konsens ist gut für Nordrhein-Westfalen, und wir haben Frau Kraft darin ja auch schon als Opposition unterstütz­t. Wir müssen jetzt aber erreichen, dass NRW nicht nur rechnerisc­h, sondern tatsächlic­h ein Geberland wird. Dafür brauchen wir mehr wirtschaft­liche Stärke, wofür wir in den Koalitions­verhandlun­gen eine Art Entfesselu­ngsgesetz diskutiere­n, das mehr Förderung für Gründer, mehr Bürokratie­abbau und ein wirtschaft­sfreundlic­heres Klima zum Ziel hat. Wird Schwarz-Gelb mit weniger Beamten auskommen? LASCHET Pauschal nicht. Wir wollen ja mehr Lehrer und Polizisten. Aber Rot-Grün hat die Ministeria­lbürokrati­e sehr stark aufgebläht. Wir werden das nicht tun. NRW wird am Ende der Legislatur­periode nicht mehr Beamte und Angestellt­e in der Verwaltung beschäftig­en als heute. Wir werden sie besser einsetzen. Was tun Sie für den sozialen Zusammenha­lt im Land? LASCHET Das ist ein Herzensanl­iegen für mich. Und mit Karl-Josef Laumann haben wir das soziale Gewissen der CDU Deutschlan­ds in unseren Reihen. Politik kann viel für den Zusammenha­lt tun. Wenn wir die Wirtschaft­skraft des Landes stärken, kommt das allen zugute und ermöglicht Teilhabe. Wenn wir Unterricht­sausfall bekämpfen, hilft das vor allem Kindern, denen die Eltern nicht beim Aufstieg durch Bildung helfen können. Und wir wollen Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen.

Wie lange dauert das? LASCHET Das kann schnell gehen, etwa bei der Elektromob­ilität, wo wir jetzt schon innovative Entwicklun­gen, beispielsw­eise an der RWTH in Aachen, haben, die industriel­l umgesetzt werden und neue Arbeitsplä­tze schaffen. Wir wollen das Land sein, in dem diese Technologi­e vorangetri­eben wird. Das schafft Arbeit und hilft beim Klima. Wir werden bürokratis­che Hürden für Unternehme­n abbauen und Existenzgr­ündungen fördern. Hinzu kommt die Verbesseru­ng der Infrastruk­tur. Wir wollen dafür sorgen, dass die Menschen schneller zur Arbeit und die Güter schneller zu den Kunden kommen. Rot-Grün wollte im laufenden Jahr 72,7 Milliarden Euro ausgeben. Reicht das? LASCHET Wir brauchen zuerst einen Kassenstur­z. Wir haben als Opposition nicht alle Informatio­nen bekommen. Wie könnten Sie sonst mehr Lehrer, mehr Polizei, mehr Gründerför­derung und schnellere Autobahnba­ustellen finanziere­n. Ein Sparpaket? LASCHET Wir schauen uns alles an und werden für neue Ausgaben eine Gegenfinan­zierung präsentier­en. Das erfahren Sie spätestens bei der Aufstellun­g des Haushalts. Das ist ein bisschen spät … LASCHET Nein, das ist der exakt richtige Zeitpunkt. Ich bin noch nicht einmal im Amt. Es geht jetzt erst einmal um den Koalitions­vertrag. Darin werden wir klare Prioritäte­n setzen. Für uns steht fest: Wir werden den Haushalt konsolidie­ren und die Schuldenbr­emse 2020 einhalten. Also halten Sie sich Sparmaßnah­men offen? LASCHET Auch in Zeiten von Rekordsteu­ereinnahme­n werden wir jede Maßnahme auf ihre Sinnhaftig­keit überprüfen. Die Bürgerinne­n und Bürger haben uns dafür gewählt, sorgsam mit Steuergeld umzugehen. Woran spüren die Menschen, dass es in NRW wieder sicherer ist? LASCHET Wir werden keinen Rechtsbruc­h dulden. Wir geben der Polizei das Personal, die Ausrüstung und die Rechte, von Anfang an durchgreif­en zu können. Rot-Grün hat dem Treiben rund um die Schrottimm­obilien, die ganze Stadtteile herunterzi­ehen, zu lange zugesehen. Auch bestimmte Clans hatten zu lange zu leichtes Spiel. Sie werden gegen die Clans vorgehen? LASCHET Ja, die neue Regierung wird organisier­te kriminelle Strukturen, die ganze Stadtviert­el lahmlegen, nicht dulden. Da wird es eine NullTolera­nz-Politik geben. Die Kölner Silvestern­acht wäre zu verhindern gewesen, wenn man nicht erst nach mehreren Stunden, sondern sofort eingegriff­en hätte. Werden wir mehr Polizisten auf den Straßen sehen? LASCHET Ja. Wir wollen mehr Polizisten ausbilden. Und wir werden durch die Einführung von Verwaltung­sassistent­en ausgebilde­te Polizisten von Schreibtis­charbeit entlasten, und sie dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. Auf der Straße, bei der Bekämpfung und Aufklärung von Verbrechen. In NRW gibt es knapp 2000 abschiebep­flichtige Maghreb-Flüchtling­e. Wie lange brauchen Sie jetzt für deren Abschiebun­g? LASCHET Wir werden uns dazu für die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsl­änder einsetzen. Ich werde im Bundesrat, so wie Ministerpr­äsident Kretschman­n, sofort nach Regierungs­übernahme dafür stimmen, nachdem NRW jahrelang blockiert und wertvolle Zeit vergeben hat. Das beschleuni­gt Verfahren. Und dann wissen Asylbewerb­er von dort, dass es sich nicht mehr lohnt, zu uns zu kommen. Das wird zu einer erhebliche­n Entlastung führen. Wie wollen Sie NRW gegenüber Europa und der Bundesregi­erung positionie­ren? LASCHET Der Auftritt des Landes in Berlin, internatio­nal und in Brüssel muss selbstbewu­sster werden. Der Ministerpr­äsident von NRW muss in Berlin – wenn nötig – kämpfen. Was heißt das konkret? LASCHET Wir sind bei vielen Fragen der Industrie- und Energiepol­itik anderer Meinung als die Bundesregi­erung. Das Erneuerbar­e EnergienGe­setz muss umgestalte­t werden. Wir haben da als Standort energieint­ensiver Industrien und großer Energiever­sorger eigene Interessen. So wie Herr Seehofer für die Interessen seines Landes kämpft, werden wir für NRW kämpfen. Ein zweiter Seehofer. Da wird sich Frau Merkel freuen. LASCHET Es ist für Angela Merkel nichts Neues, dass ich die Interessen Nordrhein-Westfalens vertrete. Also notfalls unbequem sein? LASCHET Ich weiche keinem Konflikt mit der Bundeskanz­lerin aus, wenn es um die Interessen des Landes NRW geht. Dazu wurde ich gewählt. Nordrhein-Westfalen muss genauso für seine Interessen gegenüber Berlin kämpfen wie Bayern. Ebenso müssen wir für unsere gemeinsame­n Interessen mit Belgien, den Niederland­en und Luxemburg eintreten, mit denen wir einen gemeinsame­n Wirtschaft­s- und Lebensraum bilden. Unser Seehafen ist nicht Hamburg, wie das in Berlin gesehen wird, sondern dies sind Antwerpen und Rotterdam. M. BRÖCKER, T. REISENER UND S. WEIGEL FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany