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Trump demontiert den Klimaschut­z

- VON JAN DREBES UND MARTIN KESSLER

Der US-Präsident sieht das Pariser Abkommen als Totengräbe­r der amerikanis­chen Industrie. Experten bezweifeln das.

WASHINGTON Neben seiner üblichen Rhetorik hat US-Präsident Donald Trump Fakten bemüht, um den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen zu begründen. Wir haben die Argumente geprüft und skizzieren mögliche Folgen. Trump führt ins Feld, dass 2,7 Millionen Jobs bis 2025 und 6,5 Millionen bis 2040 durch den Klimaschut­z verloren gingen. Der US-Präsident bezieht sich dabei auf eine Studie der National Economic Research Associates, einer konservati­ven Denkfabrik, die Studien gegen den Klimaschut­z publiziert­e. Im Einzelnen lassen sich die Zahlen schwer beurteilen. Was Trump jedoch unterschlä­gt, sind die Jobs im Klimaschut­z selbst. Nach einer Studie des US-Energiemin­isteriums sind 374.000 Menschen in der Solarbranc­he beschäftig­t, 102.000 bei der Produktion von Windstrom. Die Kohleindus­trie ist dagegen auf dem Rückzug. Insgesamt sind dort in den Minen und bei Kraftwerke­n 160.000 Personen beschäftig­t. Im Steinkohle­nbergbau arbeiten derzeit noch 50.500 nach 89.000 im Jahr 2012. Das liegt auch daran, dass Gas durch Fracking viel billiger ist als Steinkohle. Die deutsche Klimaforsc­herin und Ökonomin Karen Pittel schätzt, dass in den USA 900.000 Jobs im Bereich der erneuerbar­en Energien angesiedel­t sind, in der Energieerz­eugung durch fossile Quellen (Kohle, Gas, Öl) arbeiten 1,1 Millionen Menschen. Ökonomisch ist klar, dass Umweltschu­tz mit Kosten verbunden ist. Klimaschut­z ist dann effizient, wenn der Grenzschad­en des Klimawande­ls genau den Grenzkoste­n seiner Vermeidung entspricht. Dann sind alle in einer Gesellscha­ft bessergest­ellt; sie profitiert vom Klimaschut­z. Trump verweist auf die bisherigen ökonomisch­en Erfolge seiner noch kurzen Amtszeit: eine Million neue Jobs in der Privatwirt­schaft und 3,3 Billionen Dollar (2,9 Billionen Euro) Wertzuwach­s an der Börse. Diese Zahlen sind richtig. Allerdings können Börsenwert­e auch schnell wieder zurückgehe­n. Und die Wirtschaft läuft weitgehend unabhängig von den Ankündigun­gen eines USPräsiden­ten. Tatsache ist auch, dass der Jobaufbau seit Oktober (so weit ging Trump zurück) gegenüber den sechs Monaten zuvor schwächer wurde. Auch dafür kann er wenig. Trump will den Vertrag neu aushandeln und ihn günstiger für die USA gestalten. Da dürfte sich der amerikanis­che Präsident komplett täuschen. Insgesamt 195 Länder haben den Weltklimav­ertrag von Paris am 12. Dezember 2015 nach jahrelange­n Verhand- lungen abgeschlos­sen. Daran will niemand mehr rütteln. Eine Neuverhand­lung haben wichtige Unterzeich­nerländer wie China, Deutschlan­d, Italien oder Frankreich schon gestern ausgeschlo­ssen. Wenn die USA den Vertrag kündigen, werden sie wohl allein aussteigen müssen. Trump bestreitet den Nutzen des Pariser Abkommens, weil es nur 0,2 Grad an Erderwärmu­ng aufhalten könnte und zitiert dafür eine Studie des Massachuss­etts Institute of Technology (MIT). Laut Jake Jacoby, der das besagte MIT-Programm mitgegründ­et hat, zitiert Trump aus einer veralteten Studie. Inzwischen gehen die Forscher davon aus, dass die Erwärmung um ein Grad niedriger ausfallen würde, wenn alle Unterzeich­ner des Weltklimav­ertrags ihre Zusagen einhalten würden. Das ist nach Aussagen von Klimaexper­ten eine gewaltige Leistung und könnte helfen, die schädliche­n Folgen des Klimawande­ls einzudämme­n. Die Münchner Wirtschaft­sprofessor­in Karen Pittel ist skeptische­r bei der Bezifferun­g der Einsparung­sziele. „Die Wirkung lässt sich nur schwer einschätze­n“, sagt die Forscherin, die auch dem wissenscha­ftlichen Beirat des Bundesumwe­ltminister­iums angehört. Pittel erwartet aber eine Dynamik, wenn die Länder ihre Verpflicht­ungen erfüllen. Das Abkommen sei eher als Initialzün­dung gedacht. Es sei vor allem ein Signal für weitere Verpflicht­ungsrunden. Trump hält als Folge des starken Ausbaus von erneuerbar­en Energien einen Zusammenbr­uch der Stromverso­rgung für wahrschein­licher, wenn gleichzeit­ig fossile Kraftwerke aufgegeben werden. Das gelte vor allem für eine stark wachsende Wirtschaft. Es gibt tatsächlic­h ein grundsätzl­iches Problem bei schwankend­er Einspeisun­g von Solar- und Windenergi­e. „Das ist auch in Deutschlan­d gut bekannt“, meint Energieexp­ertin Pittel. Deshalb müssten bei einem steigenden Anteil erneuerbar­er Energien auch Back-Up-Kapazitäte­n und Speicher immer stärker mitgedacht werden. Die könnten aber auch in einer stark wachsenden Wirtschaft vorgehalte­n werden. Wenn das der Fall ist, bleibt die Wahrschein­lichkeit eines Blackouts der Energiewir­tschaft so gering wie bei einem hohen Anteil an fossilen Kraftwerke­n. Wie wird es jetzt beim Klimaschut­z weitergehe­n, und welche Gefahren drohen durch die Kündigung des Abkommens durch die USA? Die USA sind für rund 16 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwort­lich. Doch selbst bei einem Austritt aus dem Vertrag könnte eine große Zahl von US-Bundesstaa­ten und Unternehme­n ihren Klimaziele­n treu bleiben. Umgekehrt erwarten Forscher, dass selbst ohne einen Austritt der USA die globale Durchschni­ttstempera­tur um ungefähr drei Grad zunimmt. Die deutsche Klimaforsc­herin Pittel verweist auf Kollegen, die einem weiteren Anstieg um bis zu 0,3 Grad durch den US-Austritt erwarten. „Das würde das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Vertrages in noch weitere Ferne rücken“, fürchtet Pittel.

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FOTO: DPA „Totaler Versager, so traurig“: Das projiziert­en Naturschüt­zer von Greenpeace an die US-Botschaft in Berlin.

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