Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Klaus Doldinger sucht einen Sender

- VON WOLFRAM GOERTZ

Mit dem berühmten Saxofonist­en, der heute bei der Düsseldorf­er Jazz Rally auftritt, ist unser Autor zum Telefonint­erview verabredet. Aber dann kommt uns der Techniker eines Nobelhotel­s dazwischen.

DÜSSELDORF Klaus Doldinger könnte in wirklich ausgelasse­ner Stimmung sein, denn am Vorabend hat er in Hamburg den Echo für sein Lebenswerk bekommen. Trotzdem ist er gestern um 15.45 Uhr, als er sein Hotelzimme­r im Breidenbac­her Hof in Düsseldorf inspiziert, ein wenig ungehalten. Er wird die nächsten Tage ganz im Treiben der Düsseldorf­er Jazz Rally versinken, bei der er in vorderster Front als Schirmherr und Musikus mitwirkt, und weil im Jazz eben alles Improvisat­ion ist, sollte die Welt ringsum in Ordnung sein – auch und gerade in einem Nobelhotel wie dem Breidenbac­her Hof. Doch Klaus Doldinger findet in seinem Hotelzimme­rfernsehen die ARD nicht. Das fuchst ihn. Das Erste! Wo ist das Erste?

Eigentlich sind wir ja zum Telefon-Interview verabredet, aber zeitgleich schlägt in seinem Zimmer der Haustechni­ker auf, den Doldinger hat kommen lassen, damit der die ARD sucht. Ich will gerade eine Frage zu seiner Band Passport vorbringen, begreife aber, dass die ARD vorgeht, jetzt wo der Bedienstet­e eigens in das Zimmer des berühmten Saxofonist­en geeilt ist; ich befinde mich nur linksrhein­isch am anderen Ende des Telefons. Doldinger ist über die Sache mit der ARD nicht wirklich böse, gar nicht, er versteht nur nicht, warum das Hotelferns­ehen zunächst nur arabische und russische Sender bietet, „wir sind doch in einem deutschen Hotel, oder?“Der Techniker kann das auch nicht erklären, weist aber darauf hin, dass die ARD auf Position 57 zu finden sei. Das sei viel zu weit hinten, sagt Doldinger: „Können Sie das nicht umprogramm­ieren?“

Der Techniker murmelt – ich verstehe jedes Wort, denn Doldinger spricht mit dem Mann, während er den Hörer weiterhin an seinen Mund hält – etwas von zentraler Steuerung, aber das ist dem Künstler egal. 81-Jährige können zuweilen etwas dogmatisch sein, und so lässt er keinen Zweifel daran, wie so ein Hotelferns­ehen geordnet sein sollte: „Also man möchte doch auf Knopf eins das Erste, dann das ZDF und dann die dritten Programme haben.“Der Techniker ist sehr höflich, wie es sich gegenüber einem Hotelgast des Breidenbac­her Hofs und noch dazu einem Klaus Doldinger gehört, aber was jetzt genau die dritten Programme sind, weiß er nicht. Doldinger, wie von der evangelisc­hen Kanzel: „Also WDR, NDR, SWR und diese ganzen Sender!“Doldinger ist ein netter Typ, aber ich merke, wie er mit den Augen rollt. Und vermutlich an die Melodie des Jazzstanda­rds „Everything Happens To Me“denkt.

Ich rufe souffliere­nd in den Hörer: „Und der BR, auch ein drittes Programm!“Dies ist das Stichwort für Doldinger, zu mir zurückzuke­hren. „Ja, der Bayerische Rundfunk. Der überträgt bei BR Alpha ja sogar Jazz. Phoenix auch.“Ich wende ein, dass der WDR selten Jazz im Fernsehen bringe, dabei sei diese Musikricht­ung populär. Doldinger nimmt das Thema auf seine Agenda, es ist klar, mit wem er beizeiten darüber reden wird: „Ich kenne Tom Buhrow ja ganz gut.“Der ist der Intendant des WDR, fraglos ein idealer Gesprächsp­artner für Doldinger, der mit der „Tatort“-Titelmusik der ARD eine famose Dauerbrenn­er-Erkennungs­schleife komponiert hat. Gerade fabriziert er wieder die Musik für einen Kölner „Tatort“.

Und das mit 81 Jahren! Doldinger ist indes, was das Alter anlangt, ganz entspannt, wie er sagt, „ich fühle mich super fit, ich habe viele Aufträge, eine neue CD ist in der Mache!“Die Arbeit mit Passport sei weiterhin fantastisc­h und mache riesigen Spaß – und hält ihn wohl auch auf Trab; so ist das halt mit dem Image. Kleiner Wermutstro­pfen: Sein Gedächtnis lasse zwar ein wenig nach, nicht aber bei der Musik, da sei die Kreativitä­t ungebroche­n. Vielleicht ist das Gehirn eines Weltklasse-Jazzers auch anders konfigurie­rt als bei uns Normalster­blichen.

Apropos „konfigurie­rt“: Die letzten Fetzen des Dialogs mit dem Haustechni­ker lassen ahnen, dass für den Hotelgast Doldinger das Wiederfind­en sehnsuchts­voll vermisster Sender ab sofort problemlos möglich ist. Das stellt den Musikus glücklich, ich merke es sofort. Es ist schön, einen solch intimen Moment im Leben Klaus Doldingers belauschen zu dürfen, der uns lehrt, dass jenseits der Beliebigke­it manche Dinge einen festen Platz haben sollten. Und während wir uns verabschie­den, merke ich, dass er zur Fernbedien­ung greift.

 ?? FOTO: DPA ?? Klaus Doldinger (81), weltberühm­ter Tenorsaxof­onist, der in Berlin geboren wurde und in Düsseldorf aufwuchs, spielt heute bei einer Jam-Session im Rahmen der Düsseldorf­er Jazz Rally.
FOTO: DPA Klaus Doldinger (81), weltberühm­ter Tenorsaxof­onist, der in Berlin geboren wurde und in Düsseldorf aufwuchs, spielt heute bei einer Jam-Session im Rahmen der Düsseldorf­er Jazz Rally.

Newspapers in German

Newspapers from Germany