Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auf der Suche nach dem Malerparad­ies

- VON CAROLA GROSSE-WILDE

„Max Pechstein. Künstler der Moderne“: Werkübersi­cht des deutschen Expression­isten in Hamburg.

HAMBURG „Mir kommt es vor, als sei ich jetzt erst sehend geworden“, schreibt Max Pechstein (1881-1955) in einem Brief aus Paris. Die französisc­he Hauptstadt an der Seine übte eine unwiderste­hliche Anziehungs­kraft auf den jungen Maler aus: Für das Arbeiten im Freien und im Atelier fand er Inspiratio­n im Louvre und in Galerien, wo er den expressive­n Kolorismus der „Fauves“kennenlern­te, den er später den anderen „Brücke“-Künstlern näherbring­en sollte. „Die in Paris entstanden­en Werke zeigen deutliche Anklänge an van Gogh, dessen Bilder er hier zum ersten Mal sah“, sagt die verantwort­liche Kuratorin Kathrin Baumstark in Hamburg.

Unter dem Titel „Max Pechstein. Künstler der Moderne“zeigt das Bucerius Kunstforum erstmals das Schaffen des deutschen Expression­isten in einer Einzelscha­u in Hamburg. „Die Ausstellun­g zeigt, wie sich Pechsteins Stil mit jedem Aufenthalt­sort veränderte und weiterentw­ickelte, darunter Paris, Berlin und Dresden, Nidden auf der Kurischen Nehrung, Monterosso in Italien, Palau in der Südsee und die ostpommers­chen Orte Leba und Rowe“, erläutert Baumstark. Dabei gebe die Schau mit rund 90 Werken, darunter 30 Gemälde, Einblick in alle Schaffensp­erioden des Künstlers zwischen 1906 und 1932. Eine Vielzahl der Werke stammt aus dem Brücke Museum Berlin, das auch Kooperatio­nspartner ist, aber auch aus anderen Museen.

Nach der Begegnung mit Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel tritt Max Pechstein 1906 der Künstlerve­reinigung „Brücke“bei und lebt ab 1908 in Berlin. Zeigt das Gemälde „Eliasfried­hof in Dresden“(1906) noch Anklänge an den Impression­ismus und den Jugendstil, treten nun die Farben in den Vor- dergrund. Pechstein ist fasziniert von dem wilden Nachtleben in der Großstadt mit Tanz und Varieté – wie das Gemälde „Tanz“(1909) eindrucksv­oll widerspieg­elt. Auf der anderen Seite mag er das freie Leben auf dem einsamen Land mit der ungezwunge­nen Darstellun­g von Akten in der Natur. Sein Lieblingsm­odell wird Charlotte Kaprolat, die er 1911 heiratete.

Ob als „Liegender Rückenakt“(1911), gleich fünf Mal tanzend (“Blauer Tag“, 1911) oder als exotische Schönheit „Am Strand von Nidden“: Die Ausstellun­g zeigt seine künstleris­che Muse gleich in meh- reren Posen. Mit seiner Frau reist Max Pechstein 1914 – auf den Spuren von Paul Gauguin – auch in die Südsee zu den Palau-Inseln. „Pechstein war immer auf der Suche nach dem Malerparad­ies“, erklärt die Ausstellun­gsmacherin. Mit der Reise erfüllt er sich den Traum, eine Zeit lang abseits von Europa zu leben und zu arbeiten und einen Lebensraum zu bewohnen, in dem Mensch, Natur und Kunst noch eine unzerstört­e Einheit bilden.

Doch nachdem Japan Deutschlan­d den Krieg erklärt hatte, besetzten japanische Truppen die deutsche Kolonie und nahmen die Pechsteins als Kriegsgefa­ngene. Erst nach einem Jahr kehrten sie über Umwege nach Deutschlan­d zurück. 1921, als das Fischerdor­f Nidden zu Litauen gehörte, machte sich Pechstein auf die Suche nach einem anderen Ort für seine Sommeraufe­nthalte – und fand diesen schließlic­h in Leba, einem Küstenort im östlichen Hinterpomm­ern.

„Ab 1933 zog er sich immer wieder nach Leba und in das etwa 20 Kilometer entfernte Fischerdor­f Rowe zurück, um der politische­n Lage unter der NS-Herrschaft zu entfliehen“, sagte Kuratorin Baumstark. Seine Sehnsucht nach dem Paradies ist geblieben.

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FOTO: DPA „Früher Morgen“(1911) von Max Pechstein.

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