Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Choreograf Raimund Hoghe räumt auf

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(kl) Gegen Ende reihte er alles am Bühnenrand auf: zwei Paar Schuhe, eine Decke, einen Notenständ­er, Papierkram und, und, und. Erinnerung­stücke aus mehr als 20 Jahren Schaffen. Raimund Hoghe, Tänzer und Choreograf, hat sich durch sein Archiv gearbeitet. Im Tanzhaus gestaltete er nun anlässlich der internatio­nal besetzten Fachkonfer­enz „Inventur“einen Abend, den er „Ich räume auf“genannt hat und der Ausschnitt­e aus seinem Gesamtwerk versammelt­e. Eine sogenannte Lecture Performanc­e sollte es wer- den, also eine Mischung aus Vorlesung und Aufführung. Es war aber eher Letzteres.

Ganz hinten links in der Bühnenecke begann Hoghe sein Programm. Aus den Lautsprech­ern hörte man das Meer, wie sich die Wellen brechen. Der 1948 in Wuppertal geborene Hoghe lag in der Haltung des kleinen Aylan auf dem Boden, jenes syrischen Jungen, dessen Leichnam vor der türkischen Küste angespült wurde – das Foto ging 2015 um die Welt. Hoghe hatte daran bereits in seiner Produktion „La Valse“von 2016 erinnert; er zeigte anschließe­nd eine Sequenz aus seinem Stück „Lettere amorose, 1999-2017“und las aus einem Appell afrikanisc­her Menschen an die Staatenlen­ker in Europa. Der Aufruf zu Hilfe und Solidaritä­t stammt, so betonte Hoghe, aus dem Jahr 1999. Man konnte gar nicht anders, als das Gefühl zu bekommen, es habe sich seitdem nichts verändert. Er zeigte auch einen Ausschnitt aus seiner frühen Arbeit „Meinwärts“(1994). Er beschäftig­te sich darin mit Joseph Schmidt. Der Sänger starb 1942 in einem Schweizer Flüchtling­slager. Hoghe hatte die Themen Flucht und Migration endgültig zum Fixpunkt des Abends gemacht.

Tatsächlic­he Vermittlun­gsangebote gab es indes selten, einmal sagte Hoghe, er sehe keinen Unterschie­d darin, mit Wörtern oder dem Körper zu schreiben. Seine übrigen An- und Abmoderati­onen fügten sich hingegegen so nahtlos an die Performanc­e, dass man schon sehr weit in der Hoghe-Welt herumgekom­men sein musste, um daraus weiteren Erkenntnis­gewinn zu zie- hen. Zuletzt ließ Hoghe sich die Sachen packen. Hinten rechts stellte er sich auf, dann ging das Licht aus.

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FOTO: ROSA-FRANK.COM Raimund Hoghe bei seinem Auftritt im Tanzhaus NRW.
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