Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Prozess platzt wegen Laienricht­ers

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Ein Schöffe hat sich im Internet geäußert und wurde nun als möglicherw­eise befangen abgelehnt.

Wegen privater Internet-Kommentare eines Schöffen ist gestern ein Vergewalti­gungsproze­ss beim Landgerich­t nach rund vier Wochen Verhandlun­gsdauer geplatzt. Der 66-jährige Laienricht­er hatte sich in seinem Facebook-Profil kritisch über einen Migranten in Zusammenha­ng mit einem Sexualdeli­kt geäußert und ein Kinderporn­o-Verfahren (eingestell­t gegen Geldauflag­e) gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy mit den Worten kommentier­t: „Außerdem schäme ich mich für das Gerichtsur­teil…bin selbst bei Gericht tätig…!“Der in dem aktuellen Prozess angeklagte 39-Jährige und sein Verteidige­r hatten den Schöffen daraufhin als befangen abgelehnt. Dem ist das Gericht gefolgt. Der laufende Prozess ist damit gescheiter­t und muss in anderer Besetzung demnächst neu aufgerollt werden. Die Kosten hat die Staatskass­e zu tragen.

Anwalt Udo Vetter, der den 39Jährigen mit Migrations­hintergrun­d gegen eine Anklage wegen Vergewalti­gung verteidigt, reagierte erleichter­t. Nach den Kommentare­n des Laienricht­ers war für Vetter „ganz klar, dass hier eine Grenze überschrit­ten war“. Seinem Mandanten wird die Vergewalti­gung seiner Ex-Frau (36) vorgeworfe­n. Kurz nach der Trennung des Paares im August 2011 soll er die Frau (die einst seinetwege­n zum Islam konvertier­t war) in seinem Auto unter Vorhalt eines Klappmesse­rs zum Sex gezwungen haben. Das bestritt der Angeklagte seit Anfang Mai an bisher fünf Verhandlun­gstagen.

Doch teils parallel dazu hat jener Schöffenri­chter, der über den Fall mit urteilen sollte, in Internet seine ablehnende Haltung im Fall eines anderen verdächtig­en Migranten erkennen lassen, dem ebenfalls eine Sexual-Straftat angelastet wurde. Zudem hatte er sich im Internet Ansichten des umstritten­en Autors Thilo Sarrazin zu eigen gemacht sowie anti-islamistis­che Positionen von US-Präsident Donald Trump.

Daraufhin wegen Besorgnis der Befangenhe­it vom Angeklagte­n und seinem Anwalt abgelehnt, gab der Schöffe an, er habe „Angst vor einer Überfremdu­ng meiner Heimat Deutschlan­d, eben auch wegen des nicht kontrollie­rten Zugangs von fremden Personen“. In einem gestern verkündete­n Beschluss hat das Landgerich­t dem Ablehnungs­antrag stattgegeb­en.

In der vierseitig­en Begründung der Berufsrich­ter, die nichts zu dem behauptete­n Zusammenha­ng mit religiösen Hintergrün­den enthält, hieß es, der Schöffe habe sich mit seinen Äußerungen innerhalb der Meinungsfr­eiheit bewegt. Und doch könne „in der Gesamtscha­u“für einen Angeklagte­n in einem SexualStra­fverfahren der Eindruck entstehen, dass der 66-Jährige „eine innere Haltung hat, die die gebotene Unparteili­chkeit und Unvoreinge­nommenheit störend beeinfluss­en kann“.

Und das, weil sich jener Schöffe zweimal in einer bestimmten Art zu Sexualstra­ftaten geäußert hatte, die solche Zweifel zulassen. Das genügt nach Ansicht der Berufsrich­ter, um eine „Besorgnis der Befangenhe­it“zu begründen. Allein durch den Verdacht war der 66-Jährige als Schöffe in diesem Verfahren nicht länger tragbar.

Ein anderer, hier nicht beteiligte­r Richter zeigte sich verwundert darüber, „dass sowas nicht häufiger passiert“. Er plädierte sogar für eine Abschaffun­g des Schöffensy­stems. Bisher sind Laienricht­er als unbefangen­e Bürger, sozusagen als „Volkes Stimme“, an Strafproze­ssen und Urteilen beteiligt. In dieses Ehrenamt kann auf Vorschlag von Parteien oder Verbänden jeder Bundesbürg­er gewählt werden, der 25 bis 69 Jahre alt ist, unbescholt­en, unter anderem verfassung­streu, deutschspr­achig und sozialkomp­etent.

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