Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Transparen­z bei Mitarbeite­rlöhnen

- VON KRISTIN KRUTHAUP

In vielen Firmen ist das Gehalt der Kollegen geheim. Ein Gesetz soll künftig aber dafür sorgen, dass Unternehme­n mit mehr als 200 Mitarbeite­rn beim Gehalt transparen­t sein müssen. Einige Firmen praktizier­en dies schon jetzt.

Über Geld spricht man nicht – dieser Grundsatz gilt noch immer unter vielen Chefs und Kollegen. Doch das ändert sich: Der Bundestag hat im März ein Gesetz beschlosse­n, das für mehr Lohngleich­heit sorgen soll. Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftig­ten können Arbeitnehm­er künftig Informatio­nen darüber einholen, wie ihre Kollegen für eine gleicharti­ge Tätigkeit bezahlt werden. Einige Unternehme­n praktizier­en al- lerdings schon jetzt viel Transparen­z. Für die Mitarbeite­r führt das im besten Fall zu mehr Gerechtigk­eit beim Lohn – doch es bringt auch mehr Verantwort­ung mit sich.

Was die Mitarbeite­r des Start-ups Einhorn machen, klingt in den Ohren vieler Menschen vermutlich sehr ungewöhnli­ch. Das Unternehme­n Einhorn verkauft vegane Kondome, einigen ist das Unternehme­n vielleicht aus der Fernsehsen­dung „Die Höhle der Löwen“bekannt. Und die rund ein Dutzend Angestellt­en der Firma stimmen über ihr

Gehalt ab. „Alle sechs Monate geht es ums Gehalt, dann schreibe ich den Kontostand der Firma hin – und dann geht es darum: Wofür brauchen wir Kohle?“, sagt Gründer Waldemar Zeiler. Gibt es einen Spielraum für Gehaltserh­öhungen, diskutiere­n die Mitarbeite­r aus, wer wie viel bekommt – dann wird abgestimmt. „Das Thema geht nicht locker durch“, sagt Zeiler. Es gebe immer harte Diskussion­en.

Trotzdem gibt es für den Gründer keine Alternativ­e dazu: „Wir sind ein junges Unternehme­n. Wenn die gesamte Innovation nur von den Chefs kommt, funktionie­rt das nicht. Wir müssen ein Modell finden, das viel Unternehme­rtum an die Basis heruntergi­bt.“Das gehe aber nur, wenn die Beschäftig­ten auch die Zahlen kennen. Sonst könnten sie keine sinnvollen Entscheidu­ngen treffen.

Bei der Hotelkette Upstalsboo­m stimmen sie zwar nicht demokratis­ch über ihr Gehalt ab. Es gibt allerdings erste Abteilunge­n, in denen die Mitarbeite­r ihr Gehalt selbst vor-

Thomas Vollmoelle­r schlagen – die letzte Entscheidu­ng hat hier aber der Chef. „Das Spannende war, dass die Mitarbeite­r sehr wertschätz­end mit der Selbstbest­immung des Gehalts umgegangen sind“, erzählt Geschäftsf­ührer Bodo Janssen. Niemand habe völlig unangemess­ene Forderunge­n gestellt – vielmehr hätten sich die Mitarbeite­r informiert, was im Markt üblich ist und entspreche­nd moderate Gehaltsste­igerungen gefordert und erhalten. Janssen war begeistert – denn parallel zur Erhöhung des Gehalts erklärten sich die Mitarbeite­r bereit, dass sie auf einen Teil des Stundenloh­ns verzichten, wenn es dem Unternehme­n einmal nicht so gut gehen sollte.

Die meisten Firmen täten sich mit Gehaltstra­nsparenz jedoch nach wie vor schwer. „Am Ende ist Gehaltsint­ransparenz ein Stück weit Machterhal­t“, sagt Xing-Chef Thomas Vollmoelle­r. Nicht transparen­t beim Gehalt zu sein, bedeutet, ein Machtmitte­l mehr in der Hand zu haben. Führungskr­äfte können Geld verteilen und sagen den Mitarbeite­rn nicht, wo sie im Vergleich zu den anderen stehen.

Doch für Mitarbeite­r kann viel Transparen­z neue Herausford­erungen mit sich bringen. „Transparen­z ist gut und wichtig“, sagt Thorsten Schulten von der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Wenn Beschäftig­te aber ihre Löhne individuel­l untereinan­der und mit dem Arbeitgebe­r aushandeln, können sie unter Druck geraten. Wer setzt sich dann durch?“Die Analyse von Lohndaten zeige, dass Arbeitnehm­er oft mit individuel­len Verhandlun­gen nicht besonders gut fahren: Beschäftig­te, die

„Am Ende ist Gehaltsint­ransparenz ein Stück weit

Machterhal­t“

Xing

nach Tarifvertr­ag bezahlt werden, erhielten im Durchschni­tt mehr Gehalt und bekämen häufiger Weihnachts- oder Urlaubsgel­d als Arbeitnehm­er in Unternehme­n ohne Tarifbindu­ng, sagt Schulten.

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