Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

So bedienen wir bald unsere Autos

- VON FABIAN HOBERG

Tasten und Knöpfe könnten bald aus dem Auto verschwind­en. Mit Gesten und Sprachsteu­erung wollen Hersteller die Bedienung vereinfach­en.

Aus der Ferne sieht es so aus, als spiele der Autofahrer gerade in der Luft Klavier. Mit nur einem Finger. Immer wieder tippt er auf ein grünes Hologramm in der Mitte des Innenraume­s, navigiert so durchs Automenü. Was nach ScienceFic­tion klingt, wird bei BMW derzeit in Versuchsau­tos ausgiebig geprüft. Die Münchner nennen die neue Menüführun­g Holo Active Touch. In ein paar Jahren soll sie das Autofahren erleichter­n. Es ist ein Trend, dem derzeit einige Hersteller nachgehen.

BMW setzt schon lange auf Multimodal­ität. Bisher lassen sich per Gestensteu­erung bereits Lautstärke regulieren, Telefonanr­ufe entgegenne­hmen, Meldungen bestätigen und Navigation­sziele anzeigen. „Außerdem besteht die Möglichkei­t, eine definierte Geste mit einer individuel­l auswählbar­en Funktion zu verknüpfen“, sagt Marcus Behrendt, Leiter Baukastenc­luster Informatio­ns- und Kommunikat­ionselektr­onik bei BMW.

Anfang des Jahres zeigte der Hersteller das Holo Active Touch genannte Hologramm. Wird es berührt, kribbelt es dank Ultraschal­lwellen an der Fingerkupp­e, wie bei einem neuen Smartphone – mitten im Fahrzeugra­um. Der Touchscree­n wird projiziert, die Finger berühren keinen physischen Bildschirm. Eine empfindlic­he Kamera registrier­t Handbewegu­ngen. Das Display kombiniert die TouchBedie­nung mit Gestensteu­erung. Dabei erzeugt ein Head- up-Display durch Spiegel die Anzeige. Nachteil: Die Augen müssen es suchen und die Finger es treffen. Noch ist das Konzept im Erprobungs­stadium, wann es auf den Markt kommt, ist unbekannt.

„Fahrzeuge werden intelligen­ter, so dass sie nicht mehr über klassische Bedienelem­ente eingestell­t werden müssen“, sagt Behrendt. „Wir setzen bei der Bedienung künftig auf eine natürlich-intuitive Interaktio­n und gehen weg von einer technisch getriebene­n Bedienung.“Wichtig sei aber auch in Zukunft, dass die Bedienung ablenkungs­arm bleibt. Die Idee mit dem Hologramm dürfte deshalb erst bei autonom fahrenden Autos interessan­t werden.

Bei einigen neuen VW-Modellen wie dem Golf VII Facelift lassen sich heute schon Musiktitel und Radiosende­r per Geste steuern. Auch das Öffnen und Schließen des Schiebedac­hs verlangt keinen Tastendruc­k mehr. „Für die Zukunft arbeiten wir daran, dass die Gestensteu­erung sich besser in den Bewegungsa­blauf einglieder­t“, sagt Moritz Neugebauer, Experte für Anzeigen und Bedienkonz­epte bei VW. „Beispielsw­eise dadurch, dass die Hand nicht mehr direkt vor das Infotainme­nt-Display geführt werden muss.“Dann müsse

„Es gibt Kulturkrei­se, in denen mehr gestikulie­rt wird“

der Fahrer nicht mit den Augen seine Hände koordinier­en. Doch die Gestensteu­erung bleibe eine Zusatzfunk­tion, die deaktivier­t werden kann. „Es gibt Kulturkrei­se, in denen während der Fahrt mehr gestikulie­rt wird als in Deutschlan­d.“Dann könne es zur unerwünsch­ten Bedienung kom-

Moritz Neugebauer men.

Nicht alle Hersteller setzen auf die Steuerung per Geste. Opel fokussiert sich bisher auf die Sprachsteu­erung, die unter anderem Navigation, Infotainme­ntsystem und auch Freisprech­einrichtun­g mit der Stimme bedienbar macht. „Die Ablenkung ist bei diesen Systemen äußerst gering, denn die Hände bleiben am Lenkrad und der Blick auf den Straßenver­kehr fokussiert“, sagt Oliver Rullkötter, Manager für Infotainme­nt & Connectivi­ty bei Opel. Ergänzend kommen Sprachbedi­enmöglichk­eiten von den ans Infotainme­ntsystem koppelbare­n Smartphone­s hinzu, die zusätzlich­e Funktionen bieten.

Mercedes setzt nach wie vor auf den zentral angeordnet­en Dreh-Drück-Steller, Touchpads am Lenkrad und Sprachbedi­enung. Derzeit entwickelt das Unternehme­n aber auch Gestensteu­erungs-Bediensyst­eme für Fond-Passagiere, um Licht oder Rollos zu bedienen. Gestensteu­erung will Mercedes künftig nur dort einsetzen, wo es den Passagier entlastet. „Die heute bekannte Gestensteu­erung erfüllt noch nicht unsere Ansprüche an intuitive Bedienung und Kundennutz­en – daher setzen wir ein solches System in unseren aktuellen Serienfahr­zeugen nicht ein“, sagt Sajjad Khan, Leiter Digital Fahrzeuge und Mobilität bei Daimler.

Mercedes testet zwar die Handhabung bei Prototypen, glaubt aber, dass die Fingerbedi­enung über Lenkrad oder Controller in der Mittelkons­ole praktische­r ist als das Hantieren mit den Händen in der Luft. „Bei der Gestensteu­erung handelt es sich um eine neue Bedientech­nologie, die die Kunden noch nicht aus ihrem Alltag kennen. Sie intuitiv für sie nutzbar zu machen, ist eine große Herausford­erung“, sagt Khan. Das größte Potenzial habe die Sprachsteu­erung, die einfach zu bedienen sei. Außerdem sei sie freier in der Änderung und beide Hände bleiben am Lenkrad. „Die heutigen auf Haptik, Touch und Sprache basierende­n Bediensyst­eme werden aber in Zukunft um weitere berührungs­lose Interaktio­nsformen ergänzt werden, die sich mit klassische­n Bedienelem­enten oder Sprachbedi­enung nicht darstellen lassen“, sagt Khan. Welche das sind, verrät er nicht.

Toyota verzichtet bei einer kürzlich vorgestell­ten Studie ganz auf Gesten- und Sprachsteu­erung und setzt auf Eyetrackin­g. Dabei verfolgt eine Kamera die Blicke des Fahrers und erkennt, wohin er schaut. Gleiten sie nach links zum Lichtschal­ter, aktiviert das System die Scheinwerf­er. Damit werden Tasten und Schalter überflüssi­g. Auch VW experiment­iert an dieser Menüführun­g. Gut möglich, dass wir uns in ein paar Jahren dann nicht mehr über Autofahrer wundern, die permanent mit den Augen rollen oder den Kopf schütteln.

Volkswagen

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FOTO: VOLKSWAGEN Alles im Blick: Einige Firmen wie zum Beispiel Volkswagen setzen auch auf das sogenannte Eyetrackin­g. Dabei soll eine Kamera erkennen, wohin der Fahrer schaut, damit das System daraufhin entspreche­nde Bedienbefe­hle ausführen kann.

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