Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

57 Prozent gehen beim Urlaubsgel­d leer aus

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

Die Böckler-Stiftung hat Tausende Arbeitnehm­er danach befragt, ob ihr Arbeitgebe­r ihnen eine sommerlich­e Sonderzahl­ung gewährt. Die Mehrheit verneinte das. Vor allem im Dienstleis­tungssekto­r ist das Instrument unüblich.

DÜSSELDORF In den kommenden Tagen wird so mancher Arbeitnehm­er beim Blick auf den Kontostand freudig überrascht sein. Denn der Arbeitgebe­r hat neben dem Gehalt einen weiteren Betrag überwiesen: das Urlaubsgel­d. Eine Befragung der gewerkscha­ftsnahen Hans-BöcklerSti­ftung ergab, dass 42,6 Prozent der deutschen Arbeitnehm­er den sommerlich­en Geldsegen erhalten. Heißt im Umkehrschl­uss aber auch: 57,4 Prozent der Befragten schauten in Sachen Urlaubsgel­d in die Röhre.

Befragt hatte das Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­che Institut der Böckler-Stiftung 6600 Arbeitnehm­er aller Branchen – darunter auch viele, die nicht in den Genuss eines Tarifvertr­ags kommen. Denn, so halten es die Böckler-Experten fest, unterliegt das Unternehme­n einem Tarifvertr­ag, steigt für den Beschäftig­ten die Wahrschein­lichkeit, eine Jahressond­erzahlung zu bekommen: 60,4 Pro- zent der Arbeitnehm­er in tarifgebun­denen Unternehme­n erhielten Urlaubsgel­d, bei den Firmen ohne Tarifvertr­ag waren es lediglich 36,9 Prozent.

Tarifliche­s Urlaubsgel­d ist dabei aber nicht tarifliche­s Urlaubgeld: Eine Variante ist der vertraglic­h fixierte Betrag, der im Manteltari­fvertrag festgeschr­ieben steht. Manteltari­fverträge werden nur äußerst selten wieder komplett aufgeschnü­rt, womit die fixen Urlaubsgel­d-Beträge zwar eine sichere Bank für den Beschäftig­ten sind. So können sich die Beschäftig­ten des Großhandel­s in NRW seit Jahr und Tag über 643,56 Euro freuen. Allerdings sorgt die Inflation dafür, dass die Beschäftig­ten im Vergleich zu vorangegan­genen Jahren deutlich weniger für den Betrag erwerben können.

Besser aus Arbeitnehm­ersicht – und auch weiter verbreitet – sind prozentual­e Anteile am monatliche­n Einkommen. Schlägt die Gewerkscha­ft bei den Tarifverha­ndlungen mehr Lohn für die Beschäftig­ten heraus, steigt auch das Urlaubsgel­d. Nach Angaben des WSI stieg im vergangene­n Jahr in zwölf der 22 untersucht­en Branchen das Urlaubsgel­d. Die Steigerung betrug zwischen zwei Prozent (Holz und Kunststoff verarbeite­nde Industrie, Druckindus­trie, Einzelhand­el) und zehn Prozent (Textilindu­strie Ostdeutsch­land).

Da im industriel­len Bereich Tarifvertr­äge deutlich stärker verbreitet sind, erklärt sich auch, dass dort das Urlaubsgel­d üblicher ist als in anderen Branchen. 66,2 Prozent der Beschäftig­ten im verarbeite­nden Gewerbe bekamen es. Laut BöcklerSti­ftung erhielt dagegen in den meis- ten Dienstleis­tungsbranc­hen „nur eine Minderheit der Beschäftig­ten“das Urlaubsgel­d.

Auch die Konzerne in der Region haben eine recht unterschie­dliche Herangehen­sweise an das Thema. Bei der Deutschen Telekom beispielsw­eise gibt es überhaupt kein Urlaubsgel­d mehr. Dieses sei in der Vergangenh­eit anteilig auf das monatliche Gehalt draufgesch­lagen worden. Doch komplett verzichtet die Telekom nicht auf Jahressond­erzahlunge­n – diese werden je nach Leistung und in Abhängigke­it des Ergebnisse­s gezahlt. Bei Vodafone Deutschlan­d bekommen die tariflich bezahlten Mitarbeite­r dagegen weiterhin Urlaubsgel­d: 72 Prozent eines Monatsentg­elts.

Einen rechtliche­n Anspruch auf die Zahlung gibt es im Übrigen nicht. Allerdings könnte der Arbeitgebe­r dank der sogenannte­n betrieblic­hen Übung sich selbst zur Zahlung verpflicht­et haben: Zahlt er dreimal vorbehaltl­os eine Gratifikat­ion, führt das automatisc­h zu einem Anspruch des Beschäftig­ten. Er könnte in diesem Fall sogar die Zahlung einklagen. In der Regel kommt es aber nicht dazu, da der Arbeitgebe­r rechtlich auf der sicheren Seite ist, sobald er ausdrückli­ch erklärt, dass es sich um eine freiwillig­e Leistung handelt.

Wer lange Zeit krank war und deshalb gar keinen Urlaub nehmen konnte, darf das Lohn-Extra trotzdem behalten. Wer allerdings kündigt und dem Betrieb somit nicht die vollen zwölf Monate des Jahres angehört, bekommt auch nicht das volle Urlaubsgel­d. Bei einer Kündigung zu Ende Juni, wird also das Urlaubsgel­d um die Hälfte gekürzt.

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