Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vom Röhrchenab­leser zum Digitalpla­yer

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der Wettbewerb­er Techem streicht 600 Jobs, Ista aus Essen setzt dagegen auf Expansion. Neue Digital-Aufträge sollen Wachstum bringen. Bei einem Projekt erfahren die Mieter jeden Monat ihren Wärmeverbr­auch – und sparen jetzt mehr.

ESSEN Ein Schock muss für die weltweit 5300 Mitarbeite­rn des Essener Energiedie­nstleister­s Ista im Frühjahr die Meldung gewesen sein, Hauptwettb­ewerber Techem streiche bis 2021 jede vierte Stelle in Deutschlan­d, insgesamt 600 Jobs. Die Digitalisi­erung mache die Arbeitsplä­tze der Heizungsab­leser unnötig, hieß es. Doch Ista-Chef Thomas Zinnöcker will von solchen Plänen bei sich nichts wissen: „Wir werden in den nächsten zehn Jahren sicher 500 bis 1000 neue Stellen zusätzlich zu den aktuell über 5300 Arbeitsplä­tzen schaffen. Auch in Deutschlan­d als unserem Heimatmark­t wollen wir weiter wachsen.“Er ergänzt: „Auch beim Umsatz.“2016 machte Ista 850 Millionen Euro Umsatz, zwei Jahre davor waren es erst 781 Millionen Euro.

Das Wachstum soll auch durch neue digitale Dienstleis­tungen kommen. Angefangen hat die Firma vor mehr als 60 Jahren mit kleinen Verdunster­röhrchen, die am Ende jedes Winters abgemessen und ausgetausc­ht werden.

Bis Ende des Jahres sollen aber aus jedem vierten betreuten Gebäude die Daten direkt an Ista gefunkt werden, bis 2021 sollen es 80 Prozent sein, aktuell noch über kleine Funkstatio­nen im Flur, zukünftig dann aber auch über Mobilfunkm­odems direkt von der Heizung zu Ista: „Wir haben heute bereits 16 Millionen internetfä­hige Messgeräte im Bestand, 400.000 kommen pro Monat dazu“, sagt Zinnöcker. „Wir könnten unseren Kunden damit in Zukunft helfen, ihre Immobilen noch intelligen­ter zu steuern.“

Wohin die Reise geht, zeigt sich bei Modellproj­ekten. Schon seit Jahren bietet Ista den Wohnungsba­ugesellsch­aften an, auch die vorgeschri­ebenen kleinen Feuermelde­r in Wohnungen zu installier­en. Einmal im Monat wird dann per Funksignal die Funktionsf­ähigkeit überprüft. Künftig könnte auch die Feuerwehr direkt gerufen werden.

Bei einem Versuch mit der Deutschen Energieage­ntur und dem Deutschen Mieterbund erfuhren Familien alle vier Wochen, wie viel Energie sie in welchem Raum verbrauche­n – als Ergebnis sank der Verbrauch um rund zehn Prozent. „Wir können einen wichtigen Beitrag zur Energiewen­de leisten“, sagt Zinnöcker, „je besser und zeitnaher die Menschen wissen, wie viel Energie sie verbrauche­n, umso mehr wissen sie, wo sie sparen können.“Das helfe auch den Eigentümer­n, da niedriger Energiever­brauch Immobilien attraktiv mache.

Auch darum bietet Ista in einigen Märkten wie den Niederland­en an, Daten zum Energiever­brauch per App auf dem Smartphone aufzurufen. In einem neuen Entwicklun­gszentrum im Westen von Essen werkeln rund 75 Ingenieure und Software-Entwickler an neuen Geräten und Apps. „Spannender Job“, meint ein aus Pakistan kommender Experte bei einem Besuch.

Dabei hat die Digitalstr­ategie zwei Ziele: Erstens sollen mit den neuen Dienstleis­tungen neue Einnahmen und steigende Gewinne erzielt werden. Dies soll auch helfen, den Firmenwert von geschätzt rund 4,5 Milliarden Euro zu erhöhen, falls der aktuelle Haupteigen­tümer CVC aussteigt. Zweitens muss Ista die Kunden an sich binden, weil im Hauptmarkt Deutschlan­d das Bundeskart­ellamt die Politik drängt, den Ablesemark­t für Heizungen so zu reglementi­eren, dass die Marktposit­ion der Ableser geschwächt wird. „Ista und Techem kontrollie­ren rund die Hälfte des stark konzentrie­rten Heizungs-Ablese-Marktes“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskart­ellamtes, „damit wir mehr Wettbewerb haben, muss es leichter sein, den Anbieter zu wechseln.“

Eine der wichtigste­n Kooperatio­nen hat Ista mit der Berliner Firma Riedel gestartet. Sie bieten Immobilien­firmen eine digitale Plattform an, mit der Mieter ihren Wasser-, Heizungs- und Stromverbr­auch auf einem Display in der Wohnung ablesen können, und in das sie ihr Verbrauchs­profil eingeben können. „Wenn bei vielen Mietern klar ist, dass sie tagsüber nicht im Haus sind, kann die Anlage herunterge­fahren werden“, sagt der Ista-Chef.

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