Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Justiz will Straftäter schneller verurteile­n

- VON SIMON JANSSEN

Polizei, Staatsanwa­ltschaft und Gericht klären Details zur Einführung des sogenannte­n beschleuni­gten Strafverfa­hrens am Amtsgerich­t Neuss. Es soll angewandt werden, wenn Menschen ohne festen Wohnsitz Bagatellde­likte begehen.

In trockenen Tüchern ist es noch nicht, aber von allen Beteiligte­n gibt es grünes Licht: Polizei, Staatsanwa­ltschaft, Land- und Amtsgerich­t klären aktuell Details zur Einführung des sogenannte­n beschleuni­gten Strafverfa­hrens am Amtsgerich­t Neuss. Es dient dazu, Sachverhal­te mit einer einfachen Beweislage schnell und effektiv innerhalb einer Woche zu verhandeln. Die Strafe soll dabei der Tat gewisserma­ßen auf dem Fuß folgen. Wenn möglich, sogar noch am selben Tag. „Wir sind mitten in der Organisati­on“, sagt Adam Petzka vom Landgerich­t Düsseldorf. Schließlic­h müssten bei einem beschleuni­gten Verfahren die Zahnräder der beteiligte­n Behörden – Kreispoliz­ei, Staatsanwa­ltschaft und Amtsgerich­t – reibungslo­s ineinander­greifen. Direkte Kommunikat­ion lautet dabei das Stichwort. Vieles müsse telefonisc­h gemacht werden. Am vergangene­n Mittwoch traf sich eine Arbeitsgru­ppe, um Möglichkei­ten für die Umsetzung in Neuss auszuloten – ein zweites Treffen soll folgen. Landgerich­tspräsiden­t Bernd Scheiff nimmt bei den Vorbereitu­ngen eine koordinier­ende Rolle ein. Laut Petzka ist es der Wunsch aller Beteiligte­n, das Konzept noch im Sommer dieses Jahres vorzustell­en.

Doch damit der „kurze Prozess“wirklich umgesetzt werden kann, müssen gewisse Kriterien erfüllt werden: So kann es nur bei sogenannte­n Bagatell-Delikten durchgeset­zt werden. In der Rechtsprax­is sind damit „geringfügi­ge Straftaten“gemeint. Darüber hinaus kann das beschleuni­gte Strafverfa­hren nur bei Beschuldig­ten angewandt werden, die keinen festen oder einen unklaren Wohnsitz haben. „Das kann aber auch ein geständige­r Ladendieb sein, bei dem die Beweislage eindeutig ist“, sagt Richter Heiner Cöllen.

Innerhalb einer Woche muss es bei dem beschleuni­gten Verfahren zu einer Hauptverha­ndlung gekommen sein. In Fällen, bei denen eine Untersuchu­ngshaft unverhältn­ismäßig wäre, könne laut Adam Petzka eine sogenannte

Hauptverha­ndlungs- Hans-Jürgen Petrauschk­e haft angeordnet werden.

Auch Hans-Jürgen Petrauschk­e, Leiter der Kreispoliz­eibehörde, spricht sich für das Vorhaben aus. „Ich würde die Einführung des beschleuni­gten Verfahrens begrüßen. Das muss aber gut vorbereite­t werden“, sagt der Landrat, der sich zudem eine „erzieheris­che Wirkung“davon verspricht, wenn Beschuldig­ten bei Bagatellde­likten schneller der Prozess gemacht wird. Für eventuelle Zeugen sei es zudem einfa- cher, sich zu erinnern, wenn die Tat nur wenige Tage zurücklieg­e. Ein Problem, das Petrauschk­e ausmacht: Das Amtsgerich­t Grevenbroi­ch, auch zuständig für Rommerskir­chen und Jüchen, gehört zum Landgerich­t Mönchengla­dbach. Der Rest zum Landgerich­t Düsseldorf. „Für die Polizei ist das suboptimal“, sagt Petrauschk­e, „ich hätte gerne, dass das beschleuni­gte Verfahren im zweiten Schritt auch im restlichen Rhein-Kreis eingeführt wird.“

In Düsseldorf gibt es den „kurzen Prozess“bereits seit Frühjahr 2015. Im ersten Jahr gingen 309 Fälle über die Tische der beiden Richterinn­en, die das Düsseldorf­er Amtsgerich­t damit betraut hat. In den bei weitem meisten Fällen – 171 – verhängten sie Freiheitss­trafen, Minimum zwei Monate, Maximum ein Jahr ohne Bewährung, 129 mussten Geldstrafe­n von 15 bis zu 130 Tagessätze­n in einkommens­ab- hängiger Höhe zahlen. Freisprüch­e gab es nicht, nur ein einziges Verfahren wurde eingestell­t. Und so funktionie­rt’s: Den Antrag auf Durchführu­ng des beschleuni­gten Verfahrens stellt die Staatsanwa­ltschaft beim Strafricht­er am Amtsgerich­t, wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhal­ts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlun­g geeignet ist. Wenn sich die Sache zur Verhandlun­g in diesem Verfahren eignet, muss das Gericht dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft auf Durchführu­ng des beschleuni­gten Verfahrens entspreche­n.

Erfahrunge­n aus anderen Städten, in denen das Verfahren angewandt wird, zeigen, dass es sich bei den Delikten meist um Diebstahl, Schwarzfah­ren oder einfache Körperverl­etzungen handelt.

Leiter Kreispoliz­eibehörde

Zeit Mit der Ladung wird dem Beschuldig­ten mitgeteilt, was ihm vorgeworfe­n wird. Und die Ladungsfri­st beträgt lediglich 24 Stunden. Die Anklage kann auch mündlich erhoben werden. Das Beweisrech­t ist erheblich modifizier­t. Zudem gibt es kein Zwischenve­rfahren.

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FOTOS: WOI, RKN

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