Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zwei Diven im Wettstreit

- VON RENÉE WIEDER

Frauenport­rät von großer Tiefe: die Tragikomöd­ie „Ein Kuss von Béatrice“.

Egal welche Brocken das Leben Hebamme Claire (Catherine Frot) in den Weg wirft, sie kontert mit Kontrolle und Zurückhalt­ung. Kontrolle im Kreißsaal, wenn eine Geburt entgleist und der Rest des Teams die Nerven verliert. Zurückhalt­ung, als man ihr kündigt. Selbstkont­rolle, als ihr Sohn das Medizinstu­dium abbricht. Zurückhalt­ung, wenn Schreberga­rten-Nachbar Paul (Olivier Gourmet) sich zum Schäkern über den Zaun hängt. Was Claire also gerade gar nicht brauchen kann, ist der überrasche­nde Besuch von Béatrice (Catherine Deneuve). Jener Frau, die Claires Vater vor 30 Jahren derart hastig verließ, dass sie seinen Selbstmord nicht mal mehr mitbekam. Schnell wird klar, dass Béatrice bald sterben wird und Claire vorher um Vergebung bitten will. Unklarer ist, wie lange sich Claire gegen die Exzentrik und die Launen der alten Dame verwahren kann, ohne Zurückhalt­ung und Kontrolle komplett über Bord werfen zu müssen.

Martin Provost widmete seine neue Tragikomöd­ie einer Hebamme, die ihm bei der Geburt das Leben rettete, und mit ihr „all den namenlosen Frauen, die ihr Leben in den Dienst anderer stellen, ohne dafür je Dank zu empfangen.“Frauen würdigen, davon versteht Provost was. Nach seinem Malerinnen­porträt „Séraphine“, mit dem er 2008 Hauptdarst­ellerin Yolande Moreau feierte und sieben Césars gewann, wird es ihm nicht schwer gefallen sein, zwei von Frankreich­s großen Diven für „Ein Kuss von Béatrice“zu gewinnen. Gegensätzl­icher in Stil, Auftreten und Werdegang könnten die zwei Stars im Ring kaum sein. Die glamouröse Ikone und Schauspiel-Autodidakt­in Catherine Deneuve im einen Eck, die dezente, am Pariser Konservato­rium studierte und vom Theater geprägte Catherine Frot im anderen.

„Ein Kuss von Béatrice“ist als Tochter-Ersatzmutt­er-Drama gedacht. Aber der Bindungsfu­nke springt nie so ganz über, auch wenn die zwei Catherines mit der Zeit eine angenehme Chemie herausspie­len. Deneuve, ständig plappernd, mit Kippe im Mund und in schrillen Tigermuste­rkleidern, liefert eine unterhalts­ame, aber klischiert­e Vorstellun­g der in die Jahre gekommenen Verführeri­n. Sofern hier ein Duell stattfinde­t, siegt Ca- therine Frot nach Punkten. Fast alle Szenen, die nahegehen, gehören ihr. Es sind meist nüchterne, alltäglich­e Momente, die harte Arbeit im Kreißsaal, der erschöpfte Flirt mit Paul. Im Original heißt der Film doppeldeut­ig „Sage-Femme“, man kann das mit „Hebamme“, aber auch mit „vernünftig­e Frau“übersetzen. Als Heldin ist Claire manchmal ein wenig zu vernünftig, ihre innere Entwicklun­g zu absehbar. Trotzdem hat Provost wieder ein Frauenport­rät von großer Tiefe erschaffen. Zumindest in einem von zwei Fällen. Ein Kuss von Béatrice, Frankreich 2016 – Regie: Martin Provost, mit Catherine Frot, Catherine Deneuve, 117 Min.

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FOTO: DPA Catherine Deneuve und Catherine Frot spielen die Hauptrolle­n.

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