Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Briten wählten den harten Brexit ab

- VON ANTJE HÖNING VON THOMAS REISENER

Wieder haben die Konservati­ven in Großbritan­nien hoch gepokert, wieder haben sie sich verzockt. Vor einem Jahr hielt David Cameron ohne Not das Brexit-Referendum ab – in der Hoffnung, seinen parteinter­nen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dann setzte Theresa May ohne Not ihre stabile Mehrheit aufs Spiel – in der Hoffnung, ein Mandat für einen harten Brexit zu bekommen. Beide Male ging das Kalkül nicht auf. Mayday auf der Insel.

Politisch hat Großbritan­nien sich geschadet. Die neue Regierung tritt mit einem schwächere­n Mandat in Brüssel an, das bringt neue Unsicherhe­iten. Seit May den Scheidungs­antrag in Brüssel eingereich­t hat, tickt zudem die Uhr. Nun vergeht wertvolle Zeit mit einer vermeidbar­en Regierungs­bildung, die die Briten besser für ihre wichtigste Verhandlun­g seit dem Zweiten Weltkrieg nutzen könnten. Nicht allen scheint die Komplexitä­t bewusst: Die Briten geben ein Regelwerk auf, das für sie 46 Jahre Frieden und Wohlstand mit gesichert hat. Über 17.000 EU-Verordnung­en müssen in britisches Recht umgewandel­t werden. Die Partei Churchills muss sich auch Gedanken darüber machen, wen sie eigentlich an ihre Spitze wählte, wenn selbst die britische Jugend einen Sozialiste­n im Senioralte­r vorzieht.

Doch das Votum hat auch ein Gutes: Die Briten haben den harten Brexit abgewählt. Um die ungeliebte­n Migranten fernzuhalt­en, wollte May sogar den EUBinnenma­rkt aufgeben – zum Nachteil der Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals. Nun steigen die Chancen auf einen Kompromiss bei der Freizügigk­eit von Arbeitnehm­ern und Waren. Auch muss May ihre Position aufgeben, dass kein Deal mit der EU besser sei als ein schlechter. Gerade das Gegenteil ist richtig: Das Schlimmste, was den Briten und Europa passieren kann, ist, dass es 2019 einen „wilden Brexit“gibt, weil man sich nicht rechtzeiti­g auf Anschlussr­egeln einigt. Entspreche­nd erleichter­t reagierten die Anleger: Sie hoffen, dass die Briten nun pragmatisc­her an die Verhandlun­gen herangehen.

Zugleich haben die Briten klar gemacht, dass sie keine politische­n Extreme wollen. Sie haben weder Mays Isolationi­smus eine Mehrheit gegeben noch dem scharfen Linksprogr­amm der Labour-Partei. Damit ist Großbritan­nien nach Frankreich das zweite Land, das sich mehrheitli­ch weder von Nationalis­mus noch Sozialismu­s verführen lässt, sondern auf die Mitte setzt. Nun ist es an der EU, ihrerseits auf Triumphgeh­eul zu verzichten und das Beste aus dem Schlechten zu machen. BERICHT WAHLSCHLAP­PE SCHWÄCHT MAY . . ., TITELSEITE

IGebühren-Kompromiss

m Wahlkampf forderte die FDP, dass die NRWHochsch­ulen selbst über die Erhebung von Studiengeb­ühren entscheide­n. Die CDU lehnte Studiengeb­ühren generell ab. Herausgeko­mmen ist nun als Kompromiss, dass es zwar Studiengeb­ühren geben wird – aber nur für Nicht-EU-Ausländer.

Wie bei allen ausländers­pezifische­n Regelungen kann man jetzt wieder die Anti-Diskrimini­erungsKeul­e schwingen. Aber bei genauem Hinsehen ist der Kompromiss vernünftig. Ausländisc­he Eltern, die ihren Kindern ein Studium in Deutschlan­d ermögliche­n, sind in der Regel keine armen Leute. Global betrachtet verlangen die meisten attraktive­n Hochschule­n ohnehin Studiengeb­ühren. Auf das internatio­nale Publikum wirkt die neue NRW-Regelung deshalb völlig normal. Außerdem decken die Studiengeb­ühren nur einen Bruchteil der Hochschulk­osten. Den Löwenantei­l trägt sowieso der deutsche Steuerzahl­er. Deshalb ist eine gesonderte Gebühr für ausländisc­he Studenten auch nicht unfairer als beispielsw­eise die Pkw-Maut, die ja auch nur von Ausländern bezahlt werden soll. BERICHT AUSLÄNDER-STUDIENGEB­ÜHR IN NRW, TITELSEITE

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